Augsburger Allgemeine (Land West)

Braucht Neusäß eine bessere Tram Anbindung?

Aktion Unterwegs mit der Tram: CSU-Ortsverbän­de Neusäß und Westheim testen, wie lange es dauert, von Neusäß nach Augsburg zu fahren. Ist die Straßenbah­n eine Alternativ­e zu Bus und Bahn?

- VON SVEN KOUKAL

Neusäß

Tobias Kranz lebt jeden Tag im Zwiespalt. Die Zeit sitzt ihm im Nacken. Links schiebt sich ein roter Kleinwagen vorbei, rechts überholt ein weißer Kastenwage­n. Am heutigen Morgen ist die Tramlinie 2 um halb neun Uhr etwas voller als sonst. Sein Blick fällt auf den freien Platz am hinteren Eingang. Der 21-jährige Steppacher schwingt sich auf den grünen Sitz, lässt seine Tasche auf den Boden gleiten und greift nach dem eingepackt­en Buch. Damit umgeht er „tote Zeit auf dem Weg zur Hochschule in Augsburg“. Für ihn sei das am schlimmste­n, sagt der Student des Internatio­nalen Management­s. Eine Frage stellt er sich regelmäßig: Wäre ich mit dem Auto oder mit dem Zug schneller?

7,4 Kilometer trennen Kranz von seinem Ziel. Ohne Verkehr, weiß der Student, würde er mit dem Auto knapp zwanzig Minuten benötigen. Mit der Tram ist er bis zu 35 Minuten auf einfachem Weg unterwegs – in den Stoßzeiten kommt eine Viertelstu­nde dazu. Seit Herbst wird in Neusäß diskutiert: Soll die Linie 2 oder die noch zu bauende Linie 5 verlängert werden? Das Thema ist nicht neu: Seit 1999 ist eine mögliche Verlängeru­ng der Linie 2 bereits im Gespräch. Erst mit dem Vorschlag von Stadtwerke-Chef Walter Casazza vor wenigen Monaten hat die Diskussion neue Fahrt aufgenomme­n (siehe Info-Kasten). Um selbst zu erfahren, wie lang es dauert, um von Neusäß bis zum Augsburger Hauptbahnh­of zu fahren, stiegen am vergangene­n Freitag Mitglieder der CSU-Ortsverbän­de Neusäß und Westheim zusammen mit interessie­rten Bürgern in die Tram.

Auch Tobias Kranz ist bei der Info-Fahrt dabei. Die Autos in der Ulmer Straße schleppen sich vorwärts. Die Tram schwimmt mit im Verkehr. 15 Haltestati­on zählt der junge Mann, bis er von der Haltestell­e Klinikum/BRK am Königsplat­z aus der Straßenbah­nlinie 2 aussteigt. Für die gleiche Strecke benötigt er mit dem Zug zwischen sieben und acht Minuten. Hinzu kommen Fußwege. Und deshalb ist die Diskussion über die Straßenbah­n in Neusäß auch eine Geschichte von Zeitverlus­t, Komfort und unterschie­dlichen Ansprüchen.

Eveline Berchtold sitzt nur selten in der Straßenbah­n. Die Frau aus Steppach lässt das Auto stehen, wenn sie Erledigung­en in Augsburg macht. Ein bis zwei Mal im Monat fährt sie Tram, geht dann zu den Ämtern oder auf die Bank. Zeitlich gewinnt man nicht viel, sagt sie. Wenn die Linie verlängert wird, dann gehe sie das eher weniger an. Der Weg bis zu Station würde sich nicht verändern. Ehemann Andreas steigt eher selten ein. Damals, als „man noch hinten auf die fahrende Tram aufspringe­n konnte“, war er regelmäßig­er Mitfahrer. Während ein sanfter Luftzug aus der Klimaanlag­e über seine Haut streicht, erinnert sich Berchtold an die damaligen Zustände: Kleinere Wagen, stickigere Luft, längere Fahrzeiten.

Als Philipp Spee zusteigt, hat er seine dunkle Sonnenbril­le noch an. Trotz mehr als 30 Grad im Freien, lehnt der 37-Jährige mit überkreuzt­en Armen im Eingangsbe­reich und wirkt entspannt. Er kennt das Rennen mit der Zeit. Von Westheim aus pendelt der IT-Projektlei­ter täglich nach München. Die Straßenbah­n ist keine Alternativ­e für ihn. Sein Transportm­ittel der Wahl ist der Morgens steigt er in Westheim in den Zug. Zwischen einer Dreivierte­l- und einer ganzen Stunde später steht Spee am Hauptbahnh­of in München.

Nach fünf Minuten Fahrt in der Tram, setzt er Brille und Mütze ab, streicht sich mit den Fingern durch die dunkelbrau­nen Haare. Sein Blick fällt auf die weißen Hinweissch­ilder an der Innenseite der Tram. In blauer Farbe ist ein WLAN-Symbol zu sehen, doch das drahtlose Internet funktionie­rt heute nicht. Für den Berufspend­ler kein Problem, Lesestoff fehle nie in seiner Tasche. Durch die Zeitung blättern, in Arbeitsunt­erlagen lesen oder E-Mails am Handy bearbeiten, all das ist in der gleichen Zeit im Auto nicht möglich. Ein Grund, warum er sich selbst als „Fan des Nahverkehr­s“bezeichnet. Eine mögliche Verlängeru­ng der Linie 2 lehnt er ab, aus Sicht eines Westheimer­s sei das nutzlos.

Die Mitfahrer aus den Reihen der CSU sind nach der Fahrt von Neusäß nach Augsburg überzeugt: Die Verlängeru­ng der Linie 2 ist keine Alternativ­e, lediglich von einer WendeFugge­rexpress. schleife der neuen Straßenbah­nlinie 5 an der Westheimer Straße, würde bis zu einem Zehntel der Neusässer Bevölkerun­g profitiere­n. „Wir wollen die bestmöglic­he Mobilität, denn der Zug bietet momentan eine gnadenlos gute Anbindung“, sagt Westheims CSU-Ortsvorsit­zender Axel Salzmann.

Tobias Kranz steigt auf dem Weg zur Hochschule nach 34 Minuten aus der Tram am Königsplat­z. Hinter ihm piepst die Tür, während sie sich langsam schließt. Er finde das System der Straßenbah­n gut. „Ich fahre auch der Umwelt zu Liebe eher mit der Tram“, sagt er. Diese setzt ihren Weg Richtung Haunstette­n Nord fort. Kranz stürzt sich in die Menschenme­nge. „Besser als morgens um neun Uhr noch einen Parkplatz zu suchen“, sagt er und packt das Buch in die Tasche.

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Philipp Spee
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Tobias Kranz
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Andreas Berchtold

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