Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn der Richter dichtet und der Dichter richtet
Theater Die Freilichtbühne Lützelburg zeigt mit „Umdraaht“, warum es die anderen auch nicht immer besser haben
Gablingen Lützelburg
Das Gras ist bekanntlich auf der anderen Seite des Zaunes immer grüner als auf der eigenen Wiese, auch wenn die noch so saftig ist. Und das Leben der Anderen ist ein Kinderspiel im Vergleich zu den eigenen Problemen. Mit ihrem diesjährigen Stück „Umdraaht“nehmen die Laienschauspieler der Freilichtbühne Lützelburg das Schielen auf das vermeintlich leichtere Dasein des Nachbarn ins Visier und kassierten bei der Premiere am Freitag jede Menge Applaus dafür. Gewidmet hatten sie die Premierenvorstellung ihrem kürzlich verstorbenen Ehrenmitglied und langjährigen Förderer Johann Klein.
Zum ersten Mal seit 2013 schaffte es die Truppe unter der Regie von Heide Baumer wieder ein ganzes Stück in drei Akten und mit acht Mitspielern auf die Beine zu stellen. Mit Sketch- und Kabarettabenden wurde aus Spielermangel in den Jahren dazwischen das Publikum unterhalten. Nun freuen sich die Abteilungsleiterinnen Anita Reinermann und Michaela Meir über den neuen Anlauf. Die längere Pause hat jedoch nicht geschadet und die Aktion auf den eigentlich gleich drei Bühnen ließ keine Langweile aufkommen.
Für deren aufwendige Gestaltung mitten im sommerlichen Grün der Freilichtbühne haben sich Anton Ley und Leo Falch gleich eine ganze Reihe von Hinguckern einfallen lassen. In der säuberlich aufgeräumten Amtsstube mit Justitia auf dem Regal residiert der ehrenwerte Richter (Josef Braun) mit seiner Schreiberin Georgia Dipfl (Tini Reichenbach), die den muffligen Gerichtssaals leid ist. Leichter täte sich der Herr Rat bei seinen Urteilen, wenn er auf die Georgia hören würde, die einen untrüglichen Anzeiger für lügenhafte Zeugen hat: Immer wenn geflunkert wird, dann juckt der Jungfer nämlich der Busen. Aufgrund der seiner Meinung nach zu geringen Masse dieses Messinstruments ignoriert der Chef der schnippischen Schreiberin deren Hinweise allerdings meist und klagt über den Stress des Amtes. So ein Künstler hat es halt gut, seufzt er und malt sich das Künstlerleben in den schönsten Farben aus.
Im zugigen Poetenstübchen mit undichtem Dach und einsturzgefährdetem Bett dichtet und malt der Simpl (Andreas Winter mit gelungener persönlicher Premiere auf den Brettern), der mit viel Zeit, aber wenig Geld sein Dasein fristet. Brotsuppe anstatt Schweinebraten ist angesagt, knurrt dem Kreativen mit Wallemähne oft der Magen und dann erscheint die gut bezahlte Rechtssprechung als verlockende Alternative.
In der Gaststube agiert die resolute Wirtin (Michaela Meir), die mit dem Viehhändler (Markus Drechsler), dem Krenweiberl Gundl (Anita Reinermann) und dem Bauernpaar Duckerer (Simone Faltenbacher und Martin Kempter) nicht allzu sanft umspringt. Vom Knödel drehen hat sie die Nase voll, ebenso wie der Viehhändler den ewigen Verdruss mit der anspruchsvollen Kundschaft. Der Gundl ist es mit ihrem Kräuterkorb auf dem Markt kalt, für sie ist das warme Büro der Georgia der Himmel auf Erden.
Und beim Bauernpaar Duckerer wäre der Leopold durchaus für einen Rollentausch mit seiner dominanten Ehefrau Theresia zu haben. Gewünscht, getan: Der Richter dichtet, der Dichter richtet, der Viehhändler hat seine liebe Not am Herd und die gute Frischluft, die ihr beim Rollentausch mit der Kräutergundl noch so verführerisch erschien, ist der Schreiberin Georgia schnell zu frostig. Alle wollen wieder zurück ins alte Leben. Außer Bauer Leopold. Der findet es sehr schön, auch einmal zu Wort zu kommen und fährt seiner Theresia zum Vergnügen des Publikums auch weiterhin übers Maul.
Wie das genau funktioniert mit dem „umdraahten“Leben, kann man bis zum 7. Juli immer am Mittwoch, Freitag und Samstag ab 20.30 Uhr erfahren. Am Samstag, 8. Juli, beginnt die Vorstellung schon um 16.30 Uhr. Wenn es regnet, entfallen die Vorstellungen.