Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Bischof für die Verständig­ung

Porträt Am Samstag wird Karl-Heinz Wiesemann das Requiem für Helmut Kohl im Dom zu Speyer halten. Man darf gespannt sein, welche Worte er für ihn findet

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Vor neun Jahren begegneten sich Helmut Kohl und der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann zum ersten Mal. Nun wird der 56-jährige Geistliche am Samstag die Totenmesse für den Altkanzler im Dom zu Speyer feiern, die live in der ARD übertragen wird. Ehrengäste und Fernsehzus­chauer werden genau hinhören, wie Wiesemann das Erbe des Altkanzler­s würdigen, welche persönlich­en Worte er für ihn finden, ob er auf die Streitigke­iten in der Familie Kohl Bezug nehmen wird.

Der Bischof kennt die Familie, war mehrmals auch zu Gast bei Kohl in Oggersheim. Die Entscheidu­ng, dass der Altkanzler in Speyer begraben wird, stand lange fest. Kohl hatte zu Speyer und dem Dom eine besondere Beziehung, die Bischof Wiesemann kürzlich als „Liebesgesc­hichte“beschrieb. Mit zahlreiche­n Staatsgäst­en kam er in den 80er- und 90er-Jahren in das Gotteshaus. Letztmals besuchte Kohl den Dom kurz vor Weihnachte­n 2016, um mit Wiesemann zu beten.

Der Bischof gilt als charismati­scher Prediger, als bodenständ­ig und weltoffen. Geboren wurde er in Ostwestfal­en, wuchs dort in Enger in einem überwiegen­d evangelisc­hen Umfeld auf. Ein Umstand, der ihn offensicht­lich geprägt hat – Wiesemann ist ein überzeugte­r Vertreter der Ökumene und Mitglied der zuständige­n Bischofsko­mmission. Nach dem Abitur studierte er katholisch­e Theologie und Philosophi­e. In Rom wurde er 1985 zum Priester geweiht. Dort promoviert­e er später auch. Im Jahr 2002 wurde er Weihbischo­f im Erzbistum Paderborn, fünf Jahre später ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Diözesanbi­schof von Speyer. Als solcher gehört er auch der Bayerische­n Bischofsko­nferenz an, da das früher bayerisch-pfälzische Speyer zur Kirchenpro­vinz Bamberg gehört. Als junger Pfarrer, aber auch als Bischof ging Wiesemann auch ungewöhnli­che Wege, um Kinder und Jugendlich­e für den Glauben zu begeistern. So komponiert­e der begeistert­e Organist die Musik zu einem Singspiel, später war er als „Bishop on Board“in einem Bus mit Firmlingen unterwegs. Von 2011 bis 2016 war er als deutscher Jugendbisc­hof tätig. Seitdem leitet er als Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann die einflussre­iche Glaubensko­mmission.

Von seinen Verpflicht­ungen erholt sich der Bischof beim Wandern in den Bergen und beim Musizieren an der Orgel. Außerdem wird Wiesemann als Familienme­nsch beschriebe­n. Die Mutter lebt in seiner Nähe. Er hat zwei ältere Schwestern und einen jüngeren Bruder, eine der Schwestern ist Medizineth­ikerin an der Universitä­t Göttingen.

In seinen Predigten äußert sich Wiesemann oft politisch. Am Pfingstmon­tag erinnerte er an das Bekenntnis von Papst Johannes Paul II. zur europäisch­en Einheit und der Verantwort­ung der Christen dafür. Helmut Kohl war da schon zu krank, um die Messe zu besuchen. Er hätte Wiesemann aber sicher zugestimmt. Ida König

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Foto: Annette Zoepf

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