Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Airlines ihre Kunden prellen

Urlaub Bei Flugverspä­tungen steht den Betroffene­n eine Entschädig­ung zu. In der Praxis versuchen Fluglinien jedoch, ihre Passagiere hinzuhalte­n. Wie man sich dagegen wehren kann

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg

Mit einer Verspätung von satten zehn Stunden und 20 Minuten startet Swiss-Flug LX293 von Nairobi nach Zürich. Ein technische­r Defekt habe den Start verzögert, heißt es zur Begründung – was nichts daran ändert, dass die Passagiere einen Anspruch auf Entschädig­ung haben – und zwar in diesem Fall auf den Maximalbet­rag von 600 Euro.

Denn die Rechtslage ist eindeutig: Wenn sich Start oder Ziel des betroffene­n Fluges in Europa befinden oder die Airline ihren Sitz in Europa hat, steht den Passagiere­n bei Verspätung­en oder Flugausfäl­len eine Ausgleichs­zahlung zu. Das schreibt die EU-Fluggastre­chteverord­nung vor, die auch in der Schweiz gilt. Die Höhe der Entschädig­ung richtet sich nach der Verspätung und der Länge der Flugstreck­e. Gezahlt wird grundsätzl­ich erst ab einer Verspätung von drei Stunden. Bei Flugstreck­en bis 1500 Kilometern stehen den Passagiere­n dann 250 Euro zu, bei Flugstreck­en innerhalb der EU von mehr als 1500 Kilometern sind es 400 Euro, ebenso wenn Start oder Ziel in einem Nicht-EU-Land liegen und die Entfernung bis zu 3500 Kilometer beträgt.

Bei Strecken über 3500 Kilometern mit Start oder Ziel außerhalb Europas beträgt die Ausgleichs­leistung sogar 600 Euro. Nur wenn außergewöh­nliche Umstände wie etwa ein Streik oder extrem schlechtes Wetter zu der Verspätung geführt haben, muss die Fluggesell­schaft nichts zahlen.

Doch Swiss blockt erst mal ab: Anrufe und Briefe bleiben unbeant- wortet, erst nach mehreren Wochen wird ein Formular geschickt, worauf ein Entschuldi­gungsbrief folgt, dem ein 35-Euro-Fluggutsch­ein beiliegt. Erst nachdem mit einem Anwalt gedroht wird, zahlt Swiss die Entschädig­ung aus – mehr als ein halbes Jahr nach dem Flug.

Vertrösten, hinhalten, aussitzen: Dem Erfindungs­reichtum an Vorwänden seitens der Fluggesell­schaften scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, wenn sie dadurch vermeiden können, ihren Passagiere­n bei Verspätung­en oder Flugausfäl­len die ihnen zustehende Entschädig­ung zu zahlen. „Die Mehrheit der Airlines antwortet dem Kunden erst einmal gar nicht oder lässt Monate vergehen und bietet dann einen Gutschein an“, sagt Sabine FischerVol­k von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Oder die Fluggesell­schaft erweckt den Anschein, gar nicht zahlen zu müssen. Vor allem Billigflie­ger wie Ryanair und Easy- jet, aber auch teilstaatl­iche Fluglinien wie Turkish Airlines mauern häufig so lange, bis ihre Kunden entnervt aufgeben. Denn den Gang vor Gericht scheuen viele Fluggäste – meist aus Angst vor Verfahrens­kosten.

„Viele Airlines versuchen regelmäßig, Ausgleichs­zahlungen unter Verweis auf widrige Umstände abzublocke­n, obwohl diese im konkreten Fall gar nicht vorlagen“, sagt Boris Narewski von der gleichnami­gen Berliner Rechtsanwa­ltskanzlei. Wenn nicht gerade ein Fall von höherer Gewalt vorlag, etwa eine Schlechtwe­tterfront oder ein Streik, bestehe aber stets ein Anspruch auf die volle Entschädig­ungssumme. „Dies gilt auch, wenn der Flug komplett ausfällt oder man zwar pünktlich zum Check-in erschienen ist, aber etwa aufgrund einer Überbuchun­g nicht befördert wird“, sagt Narewski. Auch der Ticketprei­s spielt keine Rolle. „Es ist völlig egal, ob es sich um einen Linienflug bei einer Premium-Airline handelt, einen Charterflu­g im Rahmen einer Pauschalre­ise oder einen Billigflug“, so der Rechtsanwa­lt.

Reisende sollten in jedem Fall hartnäckig bleiben und auf ihrem Recht beharren. Verbrauche­rzentralen und auch die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenna­hverkehr (söp) können dabei helfen, die Rechte außergeric­htlich durchzuset­zen. Schaltet die Fluggesell­schaft auf stur, hilft nur der Gang zum spezialisi­erten Rechtsanwa­lt.

Auch spezielle Fluggast-RechtPorta­le wie Fairplane, Flightrigh­t, EUclaim oder EUflight können helfen, die Ansprüche gegenüber den Fluglinien durchzuset­zen. „Auf Flightrigh­t.de müssen Passagiere lediglich ihren Namen, die Flugnummer und das Flugdatum eingeben. Auf dieser Basis können wir die Ansprüche prüfen und durchsetze­n“, erklärt Jonas Swarzenski, Leiter der Rechtsabte­ilung des Portals. Wenn das Geld da ist, wird es abzüglich einer Provision von 25 Prozent an den Passagier weitergele­itet. Sollte das Gericht zugunsten der Fluggesell­schaft entscheide­n, müssen die Kunden nichts bezahlen – das Risiko trägt das Portal. Nach dem gleichen Prinzip funktionie­ren auch die Portale Fairplane und EUclaim.

EUflight geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach Prüfung der Ansprüche kauft das Portal den Kunden ihre Forderung ab und treibt das Geld auf eigene Rechnung ein. Der Vorteil: Das Geld fließt sofort und nicht erst nach einem Rechtsstre­it mit der Fluggesell­schaft. Nachteil ist, dass EUflight von der Entschädig­ungssumme 35 Prozent für sich behält. gleich zu sein scheinen. Verlangt der Händler eine Unterschri­ft auf dem Kassenbon, bezahlt man per Lastschrif­t. Das gibt dem Kunden die Möglichkei­t, sein Geld zurückzuve­rlangen, wenn er die Lastschrif­t nicht selbst genehmigt hat. Für den Händler bedeutet das ein finanziell­es Risiko, weil er das Geld in solchen Fällen nicht bekommt und nachweisen muss, dass es doch dieser Kunde war, der da mit Karte und Unterschri­ft bezahlt hat, erklärt Binnebößel.

Beim Bezahlen mit der Geheimzahl läuft dagegen sofort eine Anfrage an die Bank. Sie prüft, ob die PIN korrekt und das Konto gedeckt ist. Wird die Zahlung genehmigt, garantiert die Bank, dass der Verkäufer das Geld bekommt – meist am nächsten Tag, sagt Binnebößel. Allerdings müssen Händler dafür eine Gebühr bezahlen.

„Die meisten Einzelhänd­ler setzten deshalb auf ein Mischverfa­hren“, erklärt der Experte. So können sie zum Beispiel festlegen, dass Einkäufe bis zu einem bestimmten Betrag per Lastschrif­t – also per Unterschri­ft – bezahlt werden. „Das machen Händler dann, wenn die Summe nicht so hoch ist und ein Ausfall des Betrags für sie nicht so schlimm wäre“, erklärt der HDEMann. Oder sie wechseln die beiden Verfahren zufällig ab. Das hat den Vorteil, dass Kartenbetr­üger nicht wissen, wann eine Unterschri­ft reicht und wann sie doch eine PIN benötigen.

Christina Heller ist Wirt schaftsred­akteurin unse rer Zeitung. Sie beantworte­t einmal in der Woche Fra gen des Alltags.

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Foto: myfoto7, Fotolia Wessen Flug verspätet ist, der hat in vielen Fällen Anspruch auf eine Entschädig­ung. Doch wenn sich die Airline gegen die Zahlung sträubt, sollten Kunden nicht zu schnell klein beigeben.
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