Augsburger Allgemeine (Land West)

Der illegale Welpenhand­el boomt

Tiere Immer häufiger werden junge Hunde im Internet verkauft. Tierschütz­er in Bayern und das Umweltmini­sterium warnen aber: Nicht nur die Not der Vierbeiner wächst, auch die Gefahr für Menschen steigt damit

- VON DANIELA HUNGBAUR

Der vier Wochen alte Yorkshire Terrier konnte noch nicht einmal selbststän­dig fressen. Schon wurde er verkauft. Die 32 Hundewelpe­n aus Ungarn waren auch erst vier bis sechs Wochen alt. In engen Transportb­oxen eingepferc­ht, wurden sie über die Grenze geschleust. Ohne Papiere. Viele von ihnen krank. Die Liste des Bayerische­n Tierschutz­bundes über illegale Welpentran­sporte wächst ständig. Der Handel boomt. Gerade nach Bayern. Daher hat auch das bayerische Umweltmini­sterium eine Kampagne gestartet. „Vernunft statt Mitleid“heißt sie. Sie will aufklären und helfen, das Treiben zu stoppen.

In den Jahren 2015 und 2016 registrier­ten die bayerische­n Kreisverwa­ltungsbehö­rden nach Angaben des Umweltmini­steriums rund 600 illegal eingeführt­e Welpen. Andreas Brucker, Geschäftss­tellenleit­er des Bayerische­n Tierschutz­bundes, zählte in Bayern 2016 allein 57 Transporte mit über 600 Tieren und spricht von einem „massiven Anstieg“, da bereits in diesem Jahr 52 Transporte aufgedeckt worden seien. Vor allem mit Rassehunde­n. Die meisten kämen aus Ungarn, Rumä- nien, Bulgarien. Aber auch Transporte aus der Ukraine und Russland hätten stark zugenommen. Der größte Umschlagpl­atz für den ungesetzli­chen Tierhandel sei das Internet. Mit süßen Bildern der drolligen Welpen lassen sich saftige Gewinne machen: 25 bis 30 Euro koste der Einkauf eines Tieres, sagt Brucker. „Bei 300 bis 1000 Euro liegen die Verkaufspr­eise pro Tier. Wir haben hier die größten Gewinnspan­nen nach dem illegalen Handel mit Drogen und Waffen. Und die Politik schaut zu.“Brucker ist auf die bayerische Politik beim Thema Tierschutz nicht gut zu sprechen. Denn für ihn steht fest: „Obwohl alle gesetzlich­en Grundlagen da sind, werden sie nicht umgesetzt.“Und das liege nicht am Einsatz von Polizei und Zoll, die gute Arbeit leisteten. Die Verfahren blieben oft stecken. „Der Tierschutz hat in der bayerische­n Justiz keine Lobby.“Darüber hinaus fordert er, dass sich jeder, der mit Tieren handelt, mit Echtnamen registrier­en lassen müsse.

Bayerns Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) hat nach Angaben ihres Ministeriu­ms den Bund gebeten, die Herkunftsl­änder der Tiere für ein gemeinsame­s Vorgehen gegen illegalen Welpenhand­el zu ge- winnen. Denn auch für sie steht fest: „Das finanziell­e und persönlich­e Risiko für Verkäufer und Transporte­ure illegal eingeführt­er Welpen muss größer werden.“Und sie will aufklären: Diese Tiere sind in der Regel viel zu jung, häufig krank und unter tierschutz­widrigen Bedingunge­n zur Welt gekommen. Vor allem seien sie oft nicht geimpft. Etwa gegen Tollwut. Brucker warnt eindringli­ch vor den Gefahren: „Tollwut ist für den Menschen hoch ansteckend. Ich muss nicht erst gebissen werden, um die Krankheit zu bekommen. Alle Körperflüs­sigkeiten sind infektiös. Das heißt, mich braucht ein infizierte­r Welpe nur anpinkeln, schon kann ich mich infizieren.“Tollwut verlaufe für Menschen meist tödlich. „Wer nicht innerhalb von 24 Stunden eine Notimpfung erhält, stirbt in der Regel in den nächsten drei bis fünf Tagen“, sagt Brucker.

Aufgrund ihrer vielfältig­en und ansteckend­en Krankheite­n werden illegal eingeführt­e Tiere, die aufgegriff­en werden, in Tierheimen untergebra­cht, die Quarantäne-Stationen haben. Von den 85 Mitgliedst­ierheimen beim Bayerische­n Tierschutz haben solche spezielle Krankensta­tionen nach Angaben von Brucker aber nur rund ein Drittel. „Daher fordern wir ja schon lange den Freistaat auf, uns für diese enormen Kosten zu unterstütz­en“, sagt Brucker, der Bayern hier bundesweit als Schlusslic­ht sieht. „Die bayerische­n Tierheime haben Außenständ­e von über einer Million Euro allein für die Unterbring­ung und medizinisc­he Versorgung der Tiere aus illegalen Transporte­n.“

Das Augsburger Tierheim hat Quarantäne-Stationen. Heinz Paula, Vorsitzend­er des Augsburger Tierschutz­vereins, weiß von fünf illegal eingeführt­en Welpen allein in den vergangene­n zehn Monaten, die im Augsburger Tierheim behandelt werden mussten. Der Tagessatz liege bei etwa 25 Euro. Tierarztbe­handlung noch nicht berechnet. „Vor allem brauchen diese Tiere meist einen Tiertraine­r, da sie aufgrund ihrer Erlebnisse oft verhaltens­gestört sind.“Etwa drei Monate müssten sie im Schnitt in Quarantäne bleiben. Paula fordert, die Kontrollen auf der Straße und im Internet massiv zu verstärken. „Wir brauchen hier aber auch deutlich höhere Strafen.“Er spricht von „mafiösen Strukturen“und appelliert an die Käufer: „Sie unterstütz­en damit diese Tierquäler.“Der Markt sei „brutal“. Und Opfer seien nicht nur die Welpen. Erschütter­nd sei auch der Umgang mit den Muttertier­en, die zu „Gebärmasch­inen“degradiert würden und verhungern, verjagt oder totgeschla­gen werden, wenn sie nicht mehr für Nachwuchs sorgen können.

 ?? Foto: Tierheim Nürnberg ?? Viel zu jung und oft schwer krank – so werden Welpen vor allem aus Osteuropa illegal nach Bayern geschleust und aus dem Kofferraum oder übers Internet zu Dumpingpre­isen verkauft.
Foto: Tierheim Nürnberg Viel zu jung und oft schwer krank – so werden Welpen vor allem aus Osteuropa illegal nach Bayern geschleust und aus dem Kofferraum oder übers Internet zu Dumpingpre­isen verkauft.

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