Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Doppelmörd­er von nebenan

Nachbar soll in Hirblingen ein lesbisches Paar getötet haben. Jetzt steht die Anklage. Doch es gibt offene Fragen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Auf seiner Facebook-Seite zeigt Waldemar N. Fotos von sich am See und von einer Reise nach Dubai. Der 31-Jährige postet zwar auch das Foto von einem Aufnäher mit dem kruden Satz „Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigk­eit der deutschen Justiz“. Insgesamt entsteht aber eher der Eindruck eines normalen, lebenslust­igen und braven jungen Typen.

Doch nach dem 6. Dezember 2016 gibt es keine Einträge mehr in dem Facebook-Profil. N. sitzt seit Mitte Dezember in Untersuchu­ngshaft. Er soll seine Nachbarinn­en im Gersthofer Ortsteil Hirblingen (Landkreis Augsburg) auf bestialisc­he Weise getötet haben. Jetzt hat die Augsburger Staatsanwa­ltschaft Anklage wegen zweifachen Mordes erhoben. Die Indizien gegen N. sind erdrückend. Aber auf entscheide­nde Fragen haben die Ermittler keine überzeugen­den Antworten: Was hat den 31-jährigen Maschinenf­ührer zu der Bluttat getrieben? Und wie hat sich die Tat in der Wohnung des lesbischen Paares zugetragen?

Beate N. und Elke W. verschwand­en am 9. Dezember. Nach wenigen Tagen ging die Polizei davon aus, dass das Paar einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen ist und nahm Waldemar N. fest. Kurz vor Heiligaben­d wurden bei einem großen Sucheinsat­z die Leichen der beiden Frauen gefunden. Der Täter hatte sie neben dem Flüsschen Schmutter vergraben.

Die Augsburger Kripo hat seither eine Menge Spuren gesammelt, die N. schwer belasten. Den Spaten, den er am Abend nach dem Verschwind­en der Frauen gekauft hatte, fanden die Ermittler neben dem Erdgrab der Frauen. Es gibt Überwachun­gsfotos von Geldautoma­ten in Bayern und Prag, die nach Ansicht der Polizei N. dabei zeigen, wie er Bargeld von einem Konto der Frauen abhebt. Im aufgemotzt­en 3er BMW von N. wurden dazu passend Bargeld-Bündel gefunden.

Nach unseren Recherchen sind weitere Indizien hinzugekom­men. Neben dem Leichen-Fundort wurden auch persönlich­e Gegenständ­e von Waldemar N. gefunden. Seinen genetische­n Fingerabdr­uck haben die Spurensuch­er an den Leichen der beiden getöteten Frauen gesichert. Seine DNA-Spuren wurden auch am braunen Peugeot der Opfer entdeckt. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die toten Frauen mit deren eigenem Auto abtranspor­tiert hat. Blutspuren von Beate N. und Elke W. fanden sich im Kofferraum. „Wir sind sicher, dass wir den Täter haben“, sagte Kripochef Gerhard Zintl schon vor Monaten.

Als Motiv für den Doppelmord sehen Kripo und Staatsanwa­ltschaft Geldnot. Waldemar N. soll Schulden gehabt und über seine Verhältnis­se gelebt haben. Doch seine finanziell­e Lage war nicht dramatisch. Und würden Geldsorgen allein erklären, warum jemand mit zwei Messern bewaffnet zu den langjährig­en Nachbarinn­en geht und sie hinmetzelt? Beide Leichen waren mit Stichen übersät, teils sind die Wunden mehr als 20 Zentimeter tief. Derartiges „Übertöten“kennen Ermittler eigentlich nur von Beziehungs­taten, wenn starke Emotionen im Spiel sind. Eine weitere Leerstelle im Ermittlung­sergebnis ist der genaue Ablauf der Tat.

Der einzige, der Antworten geben könnte, ist Waldemar N. Doch der schweigt, berichtet sein Verteidige­r Walter Rubach. Vielleicht ändert sich das bis zum Prozess noch. Das Landgerich­t Augsburg möchte Ende Oktober mit der Verhandlun­g starten. Die bekannte Opferanwäl­tin Marion Zech wird dann zwei Schwestern von Elke W. als Nebenkläge­rinnen vertreten.

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Foto: M. Merk Neben der Schmutter wurden die Lei chen der Opfer gefunden.

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