Augsburger Allgemeine (Land West)

Facelift mit Verzug

Neuvorstel­lung Nissan bringt im Juli den überarbeit­eten Bestseller Qashqai. Zwei wichtige Neuerungen lassen aber noch auf sich warten

- VON MICHAEL GEBHARDT

Sechs, sieben Jahre steht ein Auto in den Schauräume­n, ehe eine neue Generation nachrückt. Damit ihre Modelle über so einen langen Zeitraum hinweg für die Kunden attraktiv bleiben, frischen die Hersteller sie dann und wann auf. Von Facelift ist dabei die Rede, oder Modellpfle­ge. Kleinere optische Retuschen, die sich für den Autobauer ohne großen Aufwand realisiere­n lassen, sollen das in die Jahre gekommene Design aufpeppen und ein Technik-Update sorgt dafür, dass die Fahrzeuge bis zum Modellwech­sel nicht den Anschluss an den Markt verlieren.

Eine solche Produktauf­wertung hat Nissan jetzt seinem Bestseller Qashqai zugutekomm­en lassen, allerdings hat die Sache in diesem Fall einen Haken: Wenn das überarbeit­ete Kompakt-SUV im Juli zu den Händlern rollt, sind die zwei wichtigste­n Neuerungen noch nicht erhältlich. Nissan wirbt beim gelifteten Qashqai mit bester Smartphone­Anbindung und teilautono­mem Fahren; Letzteres wird allerdings erst im Frühjahr 2018 möglich sein, und ob Apple CarPlay und Android Auto dann auch schon kommen, ist noch offen. Schade, denn in Sachen Konnektivi­tät kann der Qashqai so den Mitbewerbe­rn definitiv nicht das Wasser reichen – und mit dem ProPilot hätte Nissan sogar die Chance gehabt, in diesem Segment eine Führungsro­lle einzunehme­n: Einen selbst bremsenden, Gas gebenden und vor allem lenkenden Autobahnas­sistenten findet man bislang selten. Weil aber die finale Abstimmung des in Japan bereits erhältlich­en Systems und die Anpassung an europäisch­e Straßenver­hältnisse noch nicht abgeschlos­sen sind, erweitern die Japaner vorerst nur die vorhandene­n Systeme (Spurverlas­senswarner, Einparkaut­omatik, Notbremsas­sistent und Tempolimit­erkennung): Die Notbremsfu­nktion greift fortan auch ein, wenn sie Fußgänger erkennt. Neu hinzu kommt ein Querverkeh­rswarner, der Unfälle beim Rückwärtsa­usparken vermeiden soll.

Immerhin: Dem Begriff Facelift wird die aktuelle Überarbeit­ung durchaus gerecht. Äußerlich hat sich einiges getan. Der neue Kühlergril­l glänzt mit einem deutlich größeren Chrom-V, die optionalen LED-Scheinwerf­er wurden schmaler und auch die Schürzen wurden vorne und hinten erneuert. So langsam entwickelt die Marke damit wieder ein Familienge­sicht, und gegenüber dem Vorgänger wirkt der erneuerte Qashqai deutlich selbstbewu­sster.

Innen dagegen hat sich nicht viel getan. Das aus dem Micra bekannte, unten abgeflacht­e Lenkrad hat nun auch im Kompakt-SUV Einzug gehalten und Nissan hat neue Sitzbezüge aus Nappaleder sowie hochwertig­ere Materialie­n im Angebot.

Allerdings liegt die Qualitätsm­esslatte in dieser Klasse nicht zuletzt dank Seat Ateca und dem ganz neuen Yeti-Nachfolger Skoda Karoq inzwischen ein gutes Stück höher und die Japaner müssen sich bei der für 2019 erwarteten Neuauflage anstrengen, um hier zukünftig mithalten zu können. Punkte einfahren

kann der Qashqai dagegen nach wie vor mit seinem Platzangeb­ot.

Unveränder­t ist auch das Motorenang­ebot: Je zwei Benziner (115 und 163 PS) und Diesel (110 und 130 PS) stehen in der Preisliste, die bei 20 490 Euro, also gut 500 Euro höher als bisher, beginnt. Der Griff

zum Basisbenzi­ner oder zum kleinen Diesel sei allerdings nur ausgesproc­henen Pragmatike­rn empfohlen, denn Fahrspaß verspreche­n beide nicht. Dafür glänzt der Einstiegs-Selbstzünd­er mit nur 3,8 Litern Verbrauch und 99 Gramm CO2-Ausstoß.

Was für den 1,2-Liter-Benziner sprechen könnte, ist die stufenlose Automatik, die sonst nur noch für den starken 1,6-Liter-Diesel erhältlich ist. Der wiederum ist das einzige Aggregat, das auch mit Allradantr­ieb bestellt werden kann. Ob’s die 4x4-Technik braucht, muss jeder selber entscheide­n. Wer aber auch mal flotter unterwegs sein will, sollte auf jeden Fall zu einer der beiden Starkversi­onen greifen.

Doch egal ob Benziner oder Diesel: Selbst die beiden Top-Modelle gieren nach hohen Drehzahlen. Das Datenblatt verspricht zwar, dass der große Otto (siehe Datenkaste­n) seine volle Kraft bei 2000 Touren bereitstel­lt, doch kommt der Qashqai erst bei knapp 3000 Umdrehunge­n so richtig in Schwung. Beim großen Diesel steht mit 320 Newtonmete­rn noch mehr Kraft zur Verfügung, aber auch hier müssen für spontane Überholman­över eifrig die Gänge des etwas unpräzisen SechsgangG­etriebes gewechselt werden. Das treibt den Verbrauch in die Höhe. Angegeben ist der 130-PS-Diesel mit 4,9 Litern, beim Benziner stehen 5,8 Liter im Datenblatt.

Eine allzu sportliche Gangart ist beim Qashqai aber ohnehin nicht gefragt. Zum einen federt nach der Auffrischu­ng das Fahrwerk deutlich komfortabl­er; allerdings neigt sich das SUV in der Kurve dadurch auch spürbar zur Seite. Zum anderen lässt die Lenkung ein wenig den direkten Kontakt zur Straße vermissen. Sie arbeitet zwar ausgesproc­hen präzise, das Lenkgefühl aber ist etwas unverbindl­ich.

Zum gemütliche­n Reisemobil dagegen adelt den Qashqai die nochmals verbessert­e Geräuschdä­mmung: Die Ingenieure haben dem Kompakt-SUV dickere Scheiben spendiert, die den Lärm hörbar besser abschirmen. So kann man auch den Klang des neuen Bose-Soundsyste­ms unverfälsc­ht genießen.

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Fotos: Nissan Den überarbeit­eten Nissan Qashqai erkennt man an dem deutlich breiteren Chrom V in der Front.
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Auch das etwas kantigere Heck strahlt nun mehr Selbstbewu­sstsein aus.

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