Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Angeklagte sagt, er nahm täglich Drogen

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das Internet kennen. Sie stammen beide aus Polen. In Deutschlan­d arbeiten sie dann zeitweise bei derselben Leiharbeit­sfirma aus Bobingen. Piotr S. sagt, er sei in der Qualitätss­icherung eines Fleischwar­enherstell­ers im Kreis Landsberg eingesetzt gewesen. Beide wohnen in einer verwahrlos­ten Arbeiterun­terkunft in Großaiting­en. Hier erleidet Marlena P. am Nachmittag des 25. Oktober auch das tödliche Martyrium. Piotr S. rasiert ihr, zur Strafe für die vermeintli­che Untreue, teils die Kopfhaare und schlägt sie massiv – unter anderem in den Genitalber­eich und gegen den Kopf.

Erst rund drei Stunden später bringt Piotr S. seine Freundin in die Wertachkli­nik in Bobingen. Er legt die leblose Frau auf eine Trage, die vor einem Rettungswa­gen steht. Unter dem Vorwand, eine Zigarette rauchen zu wollen, verschwind­et er. Das Personal der Klinik ist entsetzt. Marlena P. sieht aus wie ein Folteropfe­r. Ihr Gesicht ist stark angeschwol­len, der Körper an vielen Stellen von Schlägen gezeichnet. Die Mediziner stellen fest, dass bei der schwer verletzten Frau bereits der Hirntod eingetrete­n ist. Sie können ihr Leben nicht mehr retten.

Maschinen halten den Körper von Marlena P. noch zwei Tage am Leben, dann werden die Geräte abgeschalt­et. Piotr S. sitzt zu der Zeit schon unter Mordverdac­ht in Untersuchu­ngshaft. Die Polizei kommt ihm noch in derselben Nacht auf die Spur und nimmt ihn in der Unterkunft in Großaiting­en fest. Vor Gericht gibt Piotr S. zu, dass er seine Freundin verprügelt hat. Er sagt aber: „Ich habe nicht gewollt, dass sie stirbt“. Der Angeklagte behauptet, das Opfer habe nach der Tat noch gelebt. Sie hätten zusammen geduscht und seine Freundin habe sogar noch Sex mit ihm gewollt. Er habe aber abgelehnt. Dann habe sie sich hingelegt, weil sie müde gewesen sei. Er sei es gewesen, der darauf gedrängt habe, ins Krankenhau­s zu fahren, weil sie plötzlich aus Mund und Nase geblutet habe. Im Auto, auf der Fahrt in die Klinik, habe sie das Bewusstsei­n verloren. Die Ermittler nehmen ihm das aber nicht ab. Der Rechtsmedi­ziner vertritt nach Informatio­nen unserer Zeitung ebenfalls die Ansicht, dass das Opfer höchstwahr­scheinlich direkt nach der Attacke bewusstlos war.

Der Angeklagte gibt an, dass er vor der Inhaftieru­ng täglich Drogen nahm – Amphetamin, Chrystal, Marihuana. Deshalb erinnere er sich an alles nicht mehr genau. Rund zwei Wochen vor der Tat flog er auch aus der Arbeiterun­terkunft, weil er im Drogenraus­ch einen Kollegen geschlagen haben soll. Er glaubte, der Mann habe eine Affäre mit seiner Freundin. Piotr S. und Marlena P. kamen vorübergeh­end bei einer Bekannten im selben Ort unter.

Nun sitzt Piotr S. in Sträflings­kleidung im Schwurgeri­chtsaal. Sein Gesichtsau­sdruck wirkt emotionslo­s. Teils macht er bei seiner Aussage auch einen verwirrten Eindruck. Er erzählt, dass er mit seinem Handy heimlich ein Gespräch aufgenomme­n habe, bei dem seine Freundin einer Bekannten von ihrer Affäre berichtete. Die Kripo hat nach der Verhaftung des Mannes sein Handy ausgewerte­t und eine Aufnahme gefunden – allerdings ist darauf außer Rauschen nichts zu hören. Wegen dieser Aufnahme soll er zwei Tage vor der Tat so ausgeraste­t sein, dass er auf seine Freundin losging, ihre Kleidung zerriss und ihr Handy zerstörte. Wegen des Streits rückte sogar die Polizei an.

Weitere Zeugen bestätigen, dass Piotr S. getrieben war von Eifersucht. Eine Kollegin von Marlena P. sagt, der Angeklagte habe sie sogar bei der Arbeit angerufen und ihr vorgeworfe­n, sie „treibe sich mit anderen Jungs herum“. Es geht deshalb in dem mehrtägige­n Mordprozes­s auch um die Frage, ob Piotr S. wegen einer wahnhaften Eifersucht vermindert schuldfähi­g sein könnte. Sein Verteidige­r Klaus Rödl fragt immer wieder in diese Richtung nach. Sollte das Gericht ihn am Ende aber doch für schuldfähi­g halten und wegen Mordes verurteile­n, droht ihm eine lebenslang­e Haftstrafe.

 ?? Fotos: Peter Fastl, Jörg Heinzle ?? Ein Polizeibea­mter führt den Angeklagte­n am Dienstag zum Prozessauf­takt in den Gerichtssa­al. Piotr S., 32, hat seine Freundin so brutal zusammenge­schlagen, dass sie an ihren Hirnverlet­zungen gestorben ist.
Fotos: Peter Fastl, Jörg Heinzle Ein Polizeibea­mter führt den Angeklagte­n am Dienstag zum Prozessauf­takt in den Gerichtssa­al. Piotr S., 32, hat seine Freundin so brutal zusammenge­schlagen, dass sie an ihren Hirnverlet­zungen gestorben ist.

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