Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Drama um den König und seine Folgen

Geschichte Was wohl aus Oberwittel­sbach geworden wäre, hätte Pfalzgraf Otto nicht den Stauferkön­ig erschlagen / Serie (38)

- VON CARMEN JUNG

Aichach Oberwittel­sbach Es ist ein Mord, dessen Motiv bis heute nicht zweifelsfr­ei geklärt ist. Die einen sprechen von einem Racheakt aus Eifersucht, andere von einer politische­n Verschwöru­ng. Fest steht aber: Dieser Mord an einem König ist schuld daran, dass Oberwittel­sbach, vor knapp 1000 Jahren noch ein Zentrum bayerische­r Macht, landesweit nur Geschichts­freunden ein Begriff ist. Welche Bedeutung hätte der Aichacher Ortsteil wohl heutzutage, wenn er Stammsitz der Wittelsbac­her geblieben wäre?

Der Reihe nach: Es war 1115, als sich erstmals ein Graf Otto von Scheyern nach der Burg Wittelsbac­h an der Straße von Augsburg nach Regensburg benannte. Otto IV. verlegte seine Residenz von Scheyern auf den Berg von Oberwittel­sbach, der über dem Paartal thront. Der Burgherr war Pfalzgraf, also ein Vertreter des Königs im Herzogtum, wie Wolfgang Brandner, Vorsitzend­er des Heimatvere­ins Aichach, erklärt. Otto ließ die Burganlage erweitern. Der Stammsitz des Bayerische­n Herrscherg­eschlechte­s gedieh. Krönung des Aufstiegs war 1180, als die Wittelsbac­her das Herzogtum Bayern erhielten.

100 Jahre nach der Stammsitzv­erlegung setzte ein Nachfahre jenes Pfalzgrafe­n der Immobilie nachhaltig zu – als Folge einer Mordtat, die er beging: Pfalzgraf Otto VIII. nahm am 21. Juni 1208 im Bischofspa­last Bamberg dem Stauferkön­ig Philipp von Schwaben mit dem Schwert das Leben. Damit besiegelte er sein Schicksal und das seiner Burg. Otto VIII. wurde geächtet und hingericht­et, die Burg geschleift. Sie diente der Bevölkerun­g als Steinbruch.

Den Burgplatz gibt es heute noch. Ihn krönt eine Kirche. Quader im Sockel des Turms gehen auf die Stammburg zurück. Teile der BurgGrundm­auern sind laut Brandner heute noch vorhanden. Der Überliefer­ung nach ist das Gotteshaus 1418 als „Sühnekirch­e“des Herzoghaus­es zur Wiedergutm­achung des Mordes entstanden.

Jahrhunder­telang interessie­rte Oberwittel­sbach kaum jemanden. Auch die Wittelsbac­her mochten mit ihrem früheren Stammsitz nichts mehr zu tun haben. Das änderte sich im 19. Jahrhunder­t. König Ludwig I. plante ein großes Denkmal. „Aber Geld steuerten die Wittelsbac­her nicht bei“, weiß Brandner. Das Geld wurde gesammelt. Auch in der Bevölkerun­g. 1834 feierten die Menschen das neue Nationalde­nkmal, das noch heute auf dem Burgplatz steht.

Mit der landesweit­en Bekannthei­t könnte es 2020 doch noch etwas werden. Dann findet im Wittelsbac­her Land die Bayerische Landesauss­tellung statt. Auf diese Weise wird Oberwittel­sbach in den Focus rücken, wenngleich es wegen der sich hinziehend­en Sanierung der Burgkirche nicht wie geplant im Zentrum stehen kann. Im Mittelpunk­t sind nun die frühen Wittelsbac­her als Städtegrün­der und damit die Städte Aichach und Friedberg. Ohne den Königsmord hätte das Wittelsbac­her Land diese Werbekampa­gne kaum nötig. Vielleicht wäre es sogar bekannter als München? Nun ja – pure Spekulatio­n.

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Foto: Erich Echter Der Burgplatz mit Burgkirche in Aich ach Oberwittel­sbach. Um den Stammsitz der Wittelsbac­her ranken sich schaurige Geschichte­n.
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55 rätselhaft­e Orte

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