Augsburger Allgemeine (Land West)
Da waren nicht nur die Muttis stolz
Leichtathletik Die U-18-Mädchen der SpVgg Auerbach/Streitheim schaffen bei den bayerischen Meisterschaften mit sechs Goldmedaillen Einmaliges. Nur eine war am Ende traurig
Etliche Tiefen und viele Höhen haben die Leichtathleten der SpVgg Auerbach/Streitheim in den vergangenen 50 Jahren seit Gründung erlebt, doch am vergangenen Wochenende bei den bayerischen Mehrkampfmeisterschaften vollbrachten sie etwas Einmaliges. Sieben Medaillen waren in der Altersklasse weiblich U18 zu vergeben – sechs davon gingen an die Auerbacherinnen. Da geriet sogar der Stadionsprecher bei der Siegerehrung ins Schwärmen, denn dies gab es bei bayerischen Meisterschaften noch nie. Zudem wurde der alte bayerische Mannschaftsrekord, gehalten von der LAZ Quelle Fürth, aus dem Jahre 2013 regelrecht pulverisiert und von bisher 14 087 auf sagenhafte 14 645 Punkte verbessert.
Bei gnadenloser Hitze am ersten Tag – auf der blauen Tartanbahn in Erding wurden über 45 Grad gemessen – standen vier Disziplinen des Siebenkampfes der weiblichen Jugend U18 an. 26 der besten 16und 17-jährigen Athletinnen Bayerns hatten sich qualifiziert und traten zuerst zum Vierkampf an. Die Auerbacherinnen Sina Kemmerling, Emily Schuster, Sophia Müller und Angela Stockert hatten aufgrund der Qualifikationsergebnisse berechtigte Chancen bei der Vergabe der Titel. Dies zeigten Stockert (14,34 sek), Müller (14,54) und Schuster (14,90) schon im ersten Wettbewerb über 100 m Hürden, wo sie als einzige des Starterfeldes unter 15 Sekunden blieben. Eine Dreifachführung, die aber nach dem Hochsprung wieder Vergangenheit war. Lediglich Stockert mit 1,63 m und Müller mit 1,54 m konnten an der Spitze mithalten.
Das Kugelstoßen war die dritte Entscheidung. Für Stockert erwarb der Verein in den letzten Tagen extra noch eine drei Kilogramm schwere Spezialkugel, die einen größeren Umfang hat – und es zahlte sich aus. Bei 13,55 m landete die Kugel – soweit wie keine andere. Mit 11,24 m hielt aber Müller noch gut mit. Ab diesem Zeitpunkt war klar: Angela Stockert und Sophia Müller stehen auf dem Podest, Emily Schuster lag auf Platz vier. Beim abschließenden 100-Meter-Lauf zeigten alle vier Auerbacher Starterinnen ihre Extraklasse (Müller 12,79, Schuster 12,87, Stockert 12,95 und Sina Kemmerling 13,12) und liefen als Erste, beziehungsweise unter den besten Acht ins Ziel. Somit holte sich Angela Stockert mit 3244 Punkten Gold und Sophia Müller mit 2986 Punkten Silber. Für Schuster blieb mit 2757 Punkten nur der undankbare vierte Rang im Vierkampf.
Platzwunde des Abteilungsleiters schmerzt nicht mehr
Auch wenn der bayerische Einzelrekord von Stockert nur um 20 Punkte verfehlt wurde, war die Freude im Auerbacher Lager durch den Doppelsieg riesengroß, und sogar Abtei- lungsleiter Johann Kohler, der kurz zuvor von einem durch eine Böe aufgewirbelten Sonnenschirm am Kopf getroffen wurde, hatte trotz Platzwunde keine Schmerzen mehr.
Das Gegenteil vom Vortag trafen die Leichtathleten am zweiten Wettkampftag an. Ab 10 Uhr regnete es zweieinhalb Stunden lang und Teile der Bahn standen sogar unter Wasser. Keine idealen Bedingungen für den Weitsprung, doch die Auerbacherinnen veranstalteten neben dem Münchner Flughafen eine Flugshow, die die Konkurrentinnen und Trainer zum Staunen brachte. Fünf von 28 Athletinnen kamen über die Fünf-Meter-Marke, davon alle Starterinnen der SpVgg Auerbach/Streitheim (Stockert 5,27, Müller 5,21, Kemmerling 5,17 und Schuster 5,14 m). Sogar Trainer Lothar Schmitt ließ sich seine Freude anmerken. „Sollte es in den letzten beiden Wettbewerben Speer und 800 m keinen Einbruch mehr geben, dann wäre sogar der deutsche Mannschaftsrekord in Gefahr“, hatte er errechnet. Doch es kam doch noch anders. So stark wie sie vorher im Weitsprung waren, so stark patzte das Quartett beim Speerwurf. Verzweifelt raufte sich Trainer Schmitt die Haare. Jetzt, wo es darauf ankam, versagten bei seinen Athletinnen die Nerven. Eines war aber vor dem abschließenden 800-Meter-Start schon klar: Nur ein schwerer Sturz oder eine Verletzung könnten Stockert und Müller noch vom Gold- und Silberkurs abbringen. Doch die Krönung wäre ein Dreifachsieg. „Mindestens sechs Sekunden musst du schneller als Leonie Polster von der LG Landkreis Roth sein“, dann könnte es mit dem dreifachen Triumph klappen, so Schmitt.
Und seine Mädels erfüllten ihm den Wunsch, stürmten los und erzielten Rekord um Rekord. Sophia Müller war die Schnellste des gesamten Feldes. In überragenden 2:18,25 min über die 800 m entriss sie der mehrfachen bayerischen Meisterin Sonja Rapp den Vereinsrekord, gelaufen mit 2:18,33 min bei den deutschen Meisterschaften am 2. Juli 1993 in Dortmund.
Auch die restlichen Auerbacherinnen liefen persönliche Bestzeiten: Stockert 2:24,61, Schuster 2:25,10 und Kemmerling lief mit 2:36,64 immer noch vorne mit. Statt sechs hatte Schuster 20 Sekunden zu ihrer Konkurrentin Polster vorgelegt. Und der Traum wurde für die SpVgg Auerbach/Streitheim wahr. Gold für Stockert (5081), Silber für Müller (4914) und Bronze für Schuster (4650) – nochmals Gold in der Mannschaftswertung für alle drei.
Nur eine aus dem Auerbacher Quartett war ein bisschen traurig, denn Sina Kemmerling sprang als Sprint- und Sprungspezialistin als möglicher Ersatz ein und blieb trotz hervorragender Leistung von 3936 Punkten als Zwölfte ohne Medaille, da nur die besten drei für die Mannschaft gewertet werden.