Augsburger Allgemeine (Land West)
Einmal viel zahlen oder lieber jährlich weniger?
Infrastruktur Für den Straßenunterhalt zu zahlen, freut Bürger kaum. Welche Vorteile die unterschiedlichen Systeme dennoch haben
Mit einer Änderung des kommunalen Abgabegesetzes beschäftigte sich nun auch die Stadt Neusäß. In einer Informationsveranstaltung für die Bürger wurde die Beitragspflicht erläutert. Worum es genau ging und was die Bürger dazu sagten, lesen Sie auf
Neusäß Für Petra Sternegger, Edith Kalo und Harald Scherer war es eine Hiobsbotschaft. Die Nachbarn aus der Gartenstraße in Neusäß sind 1997 gerade frisch in ihre Häuser eingezogen, da bekommen sie Post von der Stadt. Die Straße vor ihren Grundstücken ist marode. Für die Erneuerungsarbeiten stehen sie als Anlieger in der Pflicht. „Ich habe damals 12000 Euro bezahlt“, erinnert sich Harald Scherer. Auch für seine Nachbarinnen Petra Sternegger und Edith Kalo, die beide Summen im vierstelligen Bereich aufbringen mussten, war die Zahlungsaufforderung ein Schock. „Wir waren hoch verschuldet“, sagt Petra Sternegger. Sie ging damals zur Stadt. Dass sie zahlen musste, stand außer Frage. Doch man beruhigte sie: Es handle sich um eine Einmalzahlung.
Dass die Anwohner der Gartenstraße nun doch wieder zur Kasse gebeten werden könnten, ärgert die drei Nachbarn. Grund ist eine Änderung des kommunalen Abgabegesetzes (KAG), die der Bayerische Landtag zum 1. April 2016 beschloss. Statt Einmalzahlungen sind wiederkehrende Beiträge, also kleinere, jährlich zu zahlende Summen, möglich. Die finanziellen Belastungen sollen so weniger spürbar sein. Die tatsächliche Höhe – sowohl bei Einmalzahlungen als auch bei wiederkehrenden Beiträgen – ist schwer vorhersagbar. Sie richtet sich nach der Grundstücksgröße und der Anzahl der Hausgeschosse.
Ob eine Kommune von dem neuen Recht Gebrauch macht, entscheidet der Stadtrat. Die Stadt Neusäß lud daher zu einer Bürgerinformationsveranstaltung in die Stadthalle ein, zu der rund 30 Besucher kamen, darunter viele Stadträte. Über die Vor- und Nachteile beider Systeme sowie über weitere Änderungen im Straßenausbaubeitragsrecht informierten die Anwälte Jürgen Busse und Rainer Döring. Bürgermeister Richard Greiner, Gerald Adolf vom Bauamt der Stadt Neusäß sowie seine Kollegin Helga Köhler standen ebenfalls für Fragen zur Verfügung.
Döring erläuterte, dass seit der Gesetzesänderung begründet werden muss, warum eine Straßenerneuerung nötig ist (Erforderlichkeitsgrundsatz). Verkehrssicherheit ist das oberste Ziel, Luxussanierungen sollen damit unterbunden werden. Auch sollen die Anlieger frühzeitig über die Zahlungen informiert werden. Bisher war der Betrag in der Regel innerhalb eines Monats fällig. Neu ist zudem, dass Ratenzahlung in Härtefällen möglich ist. Ziel ist es, die Bürger so zu entlasten.
Kompliziert gestaltet sich die Lage bei der Entscheidung zwischen einmaligen oder wiederkehrenden Beiträgen. Bei Einmalbeiträgen verteilen sich die Kosten auf die Anlieger der Straße. Zahlungspflicht besteht ungefähr alle 25 bis 30 Jahre und nur, wenn die Straße vor dem eigenen Haus saniert wird. Bei wiederkehrenden Beiträgen bilden alle Grundstücksbesitzer eine Solidargemeinschaft und zahlen Beiträge, die für die Erneuerungen aller Straßen in ihrem Gebiet verwendet werden. Somit zahlt der Grundstücksbesitzer nicht nur für seine Straße am Haus, sondern auch für andere Straßen im Ort, die für ihn von Nutzen sind. Und hier wird es gerade für Neusäß kompliziert: Welche Straße jemandem nützlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bahnlinien, die Schmutter und große Straßen durchziehen Neusäß und seine Ortsteile. Wird eine Straße in Schlipsheim erneuert, hat der Täfertinger nichts davon. Doch wo die Grenzen genau verlaufen und wie somit die einzelnen Gebiete verteilt sind, ist für Betroffene schwer nachvollziehbar.
Da Neusäß keine gewachsene Gebietsstruktur hat und die Ortsteile voneinander getrennt sind, ist die Stadt zu klein für wiederkehrende Beiträge im gesamten Gebiet. Die Folge: Entscheidet sich der Stadtrat dafür, dass grundsätzlich wiederkehrende Beiträge möglich sind, kommt dies nur für einen Teil der Neusässer in Betracht. Somit gäbe es zwei unterschiedliche Abrechnungssysteme.
Döring rät auch, die Höhe der Summe beider Systeme zu vergleichen. Wer 25 bis 30 Jahre lang wiederkehrende Beiträge leistet, zahlt unter Umständen mehr als bei Einmalzahlungen – auch wenn die jährlichen Beiträge nicht so heftig zu Buche schlagen. Jährliche Beiträge können außerdem schwanken.
Die drei Bewohner aus der Gartenstraße hoffen, dass der Stadtrat beim System der Einmalzahlungen bleibt. Denn andernfalls würden sie doppelt belastet werden. Denn zu ihrer Einmalzahlung, die sie vor 20 Jahren für ihre Straße geleistet haben und die heute noch in einem guten Zustand ist, kämen jährliche Beiträge auf sie zu. Sie hätten somit die Nachteile beider Systeme zu tragen. O
Diskussion Der Neusässer Verwal tungs , Finanz und Wirtschaftsaus schuss befasst sich zum zweiten Mal mit dem Thema Änderungen im kommu nalen Abgabengesetz auf seiner nächsten Sitzung am Donnerstag, 6. Juli, um 18 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses.
Seit einer Gesetzesänderung muss Straßenerneuerung begründet werden Stadt ist zu klein für wiederkehrende Beiträge im gesamten Gebiet