Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Zahnstoche­r kommt zum Schluss

Kunst Hama Lohrmann stellt mit seinem neunten Kunstwerk den Landart-Pfad fertig. Was fehlt, ist der letzte Feinschlif­f

- VON SVEN KOUKAL

Bonstetten

Der Weg des Menschen in der Evolution ist nicht geradlinig. Er ist dornig und führt in einer Spirale nach oben, eingebette­t in einen Schutzraum. Diesen philosophi­schen Blick auf die Welt drückt Hama Lohrmann mit seinem neuen Kunstwerk aus. Aus einer kahlen und vier Meter hohen Douglasie sowie einem Ring aus vielen kleinen Ästen hat er im Wald bei Bonstetten sein vorerst letztes Kunstwerk für den Landart-Pfad gebaut.

Das Besondere: Die Kunst ist vergänglic­h, die Werke verändern sich mit der Zeit durch die Witterung. Das ist gewollt. Lohrmann selbst genügt ein Foto als Erinnerung.

Das Angebot in der Natur kommt gut an. Die Resonanz aus der Bevölkerun­g steige in letzter Zeit, berichtet Bonstetten­s Bürgermeis­ter Anton Gleich. Und das nicht nur aus der Gemeinde oder der Region: Erst neulich habe er eine Frau aus Schongau kennengele­rnt, die gezielt angereist war.

Von zunehmende­r Begeisteru­ng berichtet auch Hama Lohrmann. Als die Idee zur nächsten Station im Februar aufkam, traf er auf der Suche nach dem passenden Baum auf einen Förster. Statt des befürchtet­en Ärgers folgte Unterstütz­ung: Zusammen hielten sie Ausschau und wurden fündig. Drei Wochen lang hat der Künstler den Stamm in seinem Hof im Fischacher Ortsteil Tronetshof­en entrindet, danach zahlreiche Löcher gebohrt. Von Hand habe er Tausende kleine Äste gesägt. „Das Projekt war Dorfgesprä­ch. Die Leute fragten mich: Was passiert jetzt mit diesem Zahnstoche­r?“, sagt Lohrmann.

Die Installati­on steht jetzt zwischen Pferdekopp­el und kleiner Kapelle rund einen halben Kilometer vom Ausgangspu­nkt am Bonstetter Dorfplatz entfernt. Weil Lohrmann viele Tage im Wald in der Gegend verbracht hatte, habe er nun eine „starke Verbindung zum Ort“entwickelt, er fühle sich wohl in Bonstetten. „Jetzt bin ich erst richtig warmgelauf­en“, sagt der Künstler. Lohrmann habe beim Gestaltung­sprozess umdenken müssen: Die Werke entstanden ohne besondere Geräte, mit Materialie­n aus der Umgebung, ohne die Natur grundlegen­d zu verändern.

Bisher sind die Kunstwerke durch die Natur noch weitestgeh­end verschont worden. Auch Besucher oder Fremde haben die Ausstellun­gsstücke bisher in Ruhe gelassen. „Mit Randale und Zerstörung­en haben wir kein Problem“, sagt Bürgermeis­ter Gleich.

Im Gegenteil: Die Kunst von Lohrmann findet Nachahmer. Gleich und dem Künstler seien „im-

mer wieder Imitatione­n im Kleinforma­t“neben den Exponaten aufgefalle­n. „Genau darum geht es mir: Die Werke sollen inspiriere­n“, sagt Lohrmann. Draußen sein, das bedeute viel mehr, als nur von den Eltern durch den Wald geschleppt zu werden. Er wolle für die Natur sensibilis­ieren und jedem Betrachter Raum für eigene Interpreta­tionen geben.

Das Angebot im Wald bei Bonstetten sei etwas Besonderes, betont Götz Beck, Tourismusd­irektor der Regio Augsburg, die das Projekt mit dem Landkreis realisiert hat: Der Park sei zur Marke geworden, das Wanderkonz­ept mit Kunst in dieser Form einmalig. Da die Attraktion weit über die Gemeinde hinausgeht, nimmt der Pfad am Deutschen Tourismusp­reis 2017 teil. Alle Nominierte­n werden im Herbst der Öffentlich­keit bekannt gegeben, Ende November wird in Mannheim der Sieger gekürt. Beck rechnet sich Chancen für einen Preis aus und sagt daher: „Für uns fängt die Arbeit jetzt erst an.“

Dem Kunstpfad fehlt nur noch der Feinschlif­f. Für Werbung sei ein Kalender von Lohrmann über Bonstetten geplant. Des Weiteren sollen an den Stationen Schilder aufgestell­t werden. Der Künstler erläutert dort mit wenigen Worten, wofür das jeweilige Projekt steht. Mittels eines QR-Codes sollen Besucher, die diesen mit dem Smartphone einlesen, weiterführ­ende Informatio­nen über den Künstler, den Pfad und die Region erhalten. In einem Kurzfilm auf der Videoplatt­form Youtube soll der Künstler bald seine Werke kurz präsentier­en. Lohrmann: „Ein Künstler geht immer einen schmalen Grat zwischen Zu-wenig- und Zu-viel-Erklären.“Das neue Kunstwerk und der gesamte Pfad sprechen seiner Ansicht nach für sich und brauchen nur wenige erklärende Worte.

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Foto: Benedikt Siegert Der Künstler Hama Lohrmann hat sein letztes Kunstwerk für den Landart Kunstpfad in Bonstetten vollendet.

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