Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn Bertolt Brecht auf Billy Joel trifft
Schülerkonzert Große Sommergala des Justus-von-Liebig-Gymnasiums bringt die Neusässer Stadthalle zum Jubeln
Neusäß
Ein melodienreiches Potpourri, das wohl keine musikalischen Wünsche offen ließ, gab es in der Neusässer Stadthalle zu erleben: Von erhabenen Serenaden über beschwingten 20er-Jahre-Jazz bis hin zu den verträumten Volksweisen aus dem fernen Baskenland erstreckte sich die wohlklingende Reise, welche die Chöre und Ensembles des Justus-von-Liebig-Gymnasiums zu einer großformatigen Konzertkulisse verwoben hatten.
Rund 100 junge Sänger und Instrumentalkünstler stellten einen ganzen Abend lang in mehr als zwei Dutzend Kompositionen ihr musikalisches Können unter Beweis, wobei es bereits im Vorfeld eine kleine Überraschung zu sehen gab: Unter der Leitung von Studiendirektorin Veronika Wersin hatten sich die Neusässer Schüler auf die Spuren der großen Filmemacher begeben und ein Videoprojekt in Angriff genommen, dessen Endergebnis vor Konzertbeginn gezeigt wurde und Kinder wie Besucher zum Staunen und Lachen brachte.
Zur Galaeröffnung begann schließlich der musikalische Teil, der souverän von den jüngsten der angehenden Bühnenkünstler bestritten wurde: Gleich in drei verschiedenen Sprachen wussten die Chorklassen mit ihren Stimmen die Besucher zu überzeugen, wobei die Filmmusik von „Die Kinder des Monsieur Mathieu“im liebevoll französischen Charme besonders emotional in Szene gesetzt wurde. Ganz klassisch wurde es anschließend beim Kammerorchester mit erlesenen Streicherstücken von Wolfgang Amadeus Mozart und Pierre Crémont, bei denen die Violinisten von den tiefen Klanglinien der Bratsche professionelle Unterstützung bekamen. Begeisterten Applaus erhielt insbesondere auch der Achtklässler Jonas Dorn für seine sphärische Piano-Fantasie und seine Glanzleistung, gleichzeitig zu singen und gekonnt die Finger über Flügeltasten gleiten zu lassen. Der Kammerchor indes schlug einen beeindruckenden Bogen von der voluminösen Choralmusik zu modernen A-Cappella-Techniken und konnte als kleinen Höhepunkt mit etwas ganz Besonderem aufwarten: Als reines Herrenquintett präsentierten sich fünf junge Männer auf der Bühne, die ihre Stimmen derart harmonisch in Einklang brachten, dass unweigerlich Erinnerungen an die Comedian Harmonists aufkommen mochten. Doch dass im Justus-von-Liebig-Gymnasium nicht nur kleine Gesangswunder hervorgebracht werden, war sehr schön im folgenden Programmblock zu sehen: Die eleganten Schwarzweiß-Anzüge wichen den bunten Hippiekleidern der Percussiongruppe, die mit dem fröhlichen Eigenarrangement „Song für Eine Welt“mühelos die Herzen der Gäste eroberte. Originell zeigte sich auch deren fröhliche Trommelperfordie mance, welche sich die Langeweile in manchen Klassenzimmern zur inhaltlichen Vorlage genommen hatte: Zunächst waren nur einige Bleistifte zu hören, die rhythmisch auf die Schreibpulte tippten. Doch nach und nach wurden die bereitgestellten Mülleimer zu lautstarken Basstrommeln umfunktioniert, während auf- und zuklappende Lehrbücher ein komplettes Schlagzeug simulierten.
Gegen Ende der großen Konzertgala vereinten sich schließlich alle Sänger nochmals zum Großen Chor, um in seinen Sujets in ungewöhnlicher Harmonie Grenzen und Genres zu sprengen: Die sanfte Ballade „And so it goes“von Billy Joel ging fließend über in eine sakrale Kirchenkomposition und führte letztendlich zu einer wunderschönen Volksweise aus dem mit Neusäß befreundeten Baskenland. Die Bigband „The Lazy Tones“sorgte mit ihren goldenen Instrumenten und Stücken von Kurt Weill bis Irving Berlin letztendlich für einen jazzigen Abschluss des gelungenen Abends, in welchem die swingende Ära der 20er-Jahre wieder glanzvoll zu neuem Leben erwachte. Bewundernswert war nebenbei der Gesamtablauf der großen Gala, denn es war deutlich zu sehen, dass das Organisationsteam um Veronika Wersin, Stefan Kellermann und Virginia Götze ganze Arbeit geleistet hatte: Jeder einzelne Interpret wusste, wo er zu stehen hatte, jeder einzelne Bühnenumbau erfolgte routinierter als es bei professionellen Veranstaltungen der Fall sein könnte.