Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf einem Quadratmeter wächst genug Weizen für 15 Semmeln
Unser Essen Der Landwirt Johann Fröhlich aus Thierhaupten erklärt, wie das Getreide wächst und warum er für seine Arbeit ein Mikroskop braucht. Die Tests sind auch deshalb wichtig, damit das Brötchen nicht gummiartig wird / Serie (1)
Thierhaupten
Wenn die Mähdrescher über die Felder und Landstraßen fahren, dann ist Erntezeit. Viele wissen gar nicht, was dabei auf die Wagen geladen wird. Und auch was mit dem Getreide passiert, ist vielen Verbrauchern fremd, obwohl sie doch fast tagtäglich Getreideprodukte konsumieren. Bei Johann Fröhlich in Thierhaupten lässt sich so manches Geheimnis lüften. Auf seinen Äckern baut er hauptsächlich Wintergerste, Winterweizen und Hafer an – und zwar in dieser Reihenfolge: Die Gerste wird Mitte September ausgesät und ist ab Anfang/Mitte Juli reif zur Ernte. Die Weizensaat läuft von Ende September bis in den November, geerntet wird ab Ende Juli. Hafer wird im zeitigen Frühjahr ausgesät und zeitgleich mit dem Weizen geerntet.
Am meisten Platz hat der 57-Jährige für den Winterweizen reserviert. Aus den 60 Hektar Fläche ergibt sich ein Ertrag von acht bis zehn Tonnen. Ein Quadratmeter Weizen bringt etwa 900 Gramm Körner – das entspricht etwa 750 Gramm Mehl. Daraus kann man ungefähr 15 Semmeln backen. Von einem Kilogramm Mischbrot, das der Verbraucher im Laden kauft, bekommt der Landwirt 14 Cent, sagt Fröhlich.
Wintergerste baut er auf 30 bis 40 Hektar an und erntet im Durchschnitt achteinhalb bis neun Tonnen. Hafer liegt mit vier bis fünf Hektar Fläche und einem Ertrag von sechs Tonnen auf dem letzten Rang. Fröhlich gesteht: „Der Hafer ist eigentlich nur ein Lückenfüller.“Wichtig ist er dennoch, denn er lockert die Fruchtfolge auf. Dafür hat er ein ganz persönliches Erfolgskonzept: Zweimal wird Getreide angebaut, dann einmal eine Hackfrucht wie Raps, Zuckerrübe, Mais oder Soja. Warum er so akribisch genau darauf achtet, dass es seinem Boden gut geht, erklärt Fröhlich kurz und bündig: „Der Boden ist das wichtigste Gut des Landwirts.“
Für die Qualität des Getreides ist aber natürlich nicht nur die Pflege des Bodens entscheidend. Beim Weizen ist auch die Sorte ausschlaggebend. Die Züchtungen von heute ermögli- chen im Vergleich zu früheren Jahren deutlich höhere Erträge: etwa zwei Tonnen mehr. Bei der Auswahl der Getreidesorten helfen das Bundessortenbuch, die Landessortenversuche und der große Erfahrungsschatz. Fröhlich setzt heuer auf die Sorte „Reform“, die als A-Sorte klassifiziert und als Qualitätsweizen eingestuft ist. Das bedeutet, dass bei der Überprüfung des Eiweißgehalts ein Wert zwischen 13 und 14,5 Prozent herauskommen soll. Weizen, der über einem Wert von 14,5 Prozent Eiweiß liegt, wird beispielsweise als Aufmischweizen oder für die Nudelproduktion verwendet und gilt als E-Sorte mit höchster Qualität. C-Weizen wird als Futter- oder Keksweizen genutzt und hat Eiweißwerte unter 11,5 Prozent. Dazwischen liegt der reguläre Brotweizen („B-Weizen“), dazu gibt es noch den Brauweizen. Die zweite A-Weizen-Sorte, auf die Fröhlich momentan setzt, ist die Sorte „Boregar“. Die baut er vor allem auf Feldern in Waldnähe an. Wegen seiner Grannen wird er nämlich von Wildschweinen gemieden. Auf den ersten Blick erinnert „Boregar“an Gerste. Und während dieser frühreif und schon sehr weit ist, beginnt die Sorte „Reform“gerade erst mit der Einkörnung. Das hat für den Landwirt auch den Vorteil, dass er die Sorten zu unterschiedlichen Zeiten ernten kann.
Pro Hektar Anbaufläche Gerste und Weizen investiert Fröhlich etwa sechs bis acht Stunden von der Aussaat bis zur Ernte. Mit Blick auf die vergangenen Jahre weiß der 57-Jährige, der bereits seit 40 Jahren als Landwirt tätig ist: „Die Schlagkraft hat sich durch die Maschinerie deutlich verändert.“Früher musste man zehn bis zwölf Stunden pro Hektar aufwenden, heute sind es nur noch ungefähr sechs.
Während der Hauptwachstumsphase von Anfang April bis Mitte Juni ist eine ständige Bestandskontrolle erforderlich. Auch muss sein Weizen – und der der anderen Bauern, die Fröhlich um Hilfe bitten – regelmäßig unters Mikroskop, um rechtzeitig krankhafte Veränderungen zu bemerken. Bei der Entscheidung, ob Pflanzenschutzmittel angewendet wird oder nicht, helfen zusätzlich das Landwirtschaftsamt und ein Prognosemodell. Fröhlich sagt: „Wenn ich rechtzeitig mit einer Blattbehandlung beginne, brauche ich oft nur die Hälfte an Pflanzenschutzmittel. Das spart Geld und hält mein Feld sauber.“Doch an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Mit zwei hartnäckigen Gerüchten möchte Fröhlich jedoch aufräumen: „Nur weil wir nachts fahren, heißt das nicht, dass wir etwas zu verbergen haben.“Er nutzt die kühleren Nachtstunden, weil es windstiller und die Verdunstung geringer ist. So sei die Behandlung möglichst effektiv. Und zum Zweiten wird nicht immer, wenn der Landwirt mit seiner Feldspritze unterwegs ist, Pestizid ausgebracht, betont er: Auch die N-Düngung (in flüssiger Form) werde so erledigt.
Die Qualitätsparameter „Eiweiß“und „Fallzahl“beeinflussen später in den Semmeln und im Brot das Backvolumen und entscheiden beim Bauern auch über den finanziellen Ertrag. Fröhlich misst diese Werte direkt nachdem er vom Erntegut eine Probe entnommen hat. Auch die Prüfung des Feuchtegehalts ist Pflicht. Das teure Gerät lässt sich auf jede Getreideart einstellen. Und dann ist da noch die Bemessung der Fallzahl. Der 57-Jährige führt es vor: Mitten im Hof mahlt er schnell einige Körner zu Mehl. Davon füllt er wenige Gramm in ein Reagenzglas und gibt Wasser dazu. Nun wird das Wasser-Mehl-Gemisch für 60 Sekunden gepumpt. Anschließend wird es spannend: Wie lange braucht der Stab, bis er fällt? Das Ergebnis dieses Tests zeigt, ob die Weizenqualität durch Auswuchs geschädigt ist. Quillt das Mehl kaum, ist die Fallzahl, die das Gerät nach einem Aufheizvorgang misst, niedrig. Eine Semmel aus diesem Mehl würde gummiartig werden, wie ein Gummibärchen.
Unsere gemessene Probe hatte einen Fallzahlwert (FZ) von 346. Fröhlich erklärt: „Die Mühlen nehmen einen Weizen mit schlechter Fallzahl nur dann, wenn wir generell ein nasses Erntejahr haben.“Nur dann sei es möglich, einen Weizen auch mit 180 FZ zu verkaufen. Ansonsten wird dieser zu Futterweizen verarbeitet. Der schlechteste Wert, der bis jetzt auf dem Hof gemessen wurde, lag bei 62 FZ. Der Weizen war wegen zu viel Regens während der Erntezeit bereits auf dem Acker ausgekeimt. Und so ist der Wunsch nach Regen auch ein gefährlicher – denn zwischen wichtigem Regen und dem Regen, der die Fallzahl komplett ruiniert, liegt zur Erntezeit nur ein schmaler Grat.