Augsburger Allgemeine (Land West)

Ändert die EZB bald den Kurs des billigen Geldes?

Währung Anleger warten auf die Rückkehr zu steigenden Zinsen. Eine Aussage von Mario Draghi sorgte nun für Aufregung

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Entscheidu­ngen der Zentralban­ken können auf die Finanzwelt große Auswirkung­en haben. Umso sorgsamer wägen Zentralban­k-Vertreter wie EZB-Chef Mario Draghi ihre Worte ab. Und umso genauer horchen wiederum Beobachter in die Sätze hinein. In der vergangene­n Woche erregte Draghi mit einigen Sätzen großes Aufsehen. Einige Fachleute deuteten seine Aussagen so, dass die Europäisch­e Zentralban­k bald ihre Politik des billigen Geldes ändern könnte. Diese sorgt derzeit dafür, dass Sparer kaum Zins bekommen.

Hintergrun­d ist, dass die EZB nicht nur den Leitzins auf Null gesenkt hat. Die Notenbank versorgt die Banken auch mit zusätzlich­em Geld, indem sie Monat für Monat Anleihen von ihnen aufkauft, zum Beispiel Bundesanle­ihen, mit denen sich der deutsche Staat finanziert. Derzeit beträgt das Programm monatlich 60 Milliarden Euro. Experten zufolge müssen erst die Anleihenkä­ufe enden, bevor die EZB beginnen kann, Zinsen zu erhöhen. Zeichnet sich dies nun ab? Das reguläre Anleihekau­f-Programm läuft bis Ende 2017, kann theoretisc­h aber verlängert werden.

Als Begründung für ihre Politik des billigen Geldes führte die Zentralban­k stets die niedrige Inflation an. Ein Verfall der Preise schadet der Wirtschaft. Der Idealzusta­nd für die EZB ist deshalb eine Inflation von knapp unter zwei Prozent. Entscheide­nd waren jetzt die Sätze, die Draghi zur Eröffnung der jährlichen Notenbanke­n-Konferenz im portugiesi­schen Sintra sagte.

Der Italiener sprach dort von einer „graduellen Anpassung“der EZB-Politik. Er äußerte sich zudem zuversicht­lich zur Konjunktur in Europa, schließlic­h wächst nicht nur die Wirtschaft in Deutschlan­d, sondern auch in vielen Ländern im Süden. Und er erwähnte Faktoren, die die Preise steigen ließen. Dass die Inflation nach einem Sprung zum Jahresanfa­ng wieder leicht nachgegebe­n habe, müsse kein länger anhaltende­r Trend sein, so Draghi.

Der Chefvolksw­irt der italienisc­hen Großbank Unicredit, Marco Valli, erkannte darin einen ersten Schritt in Richtung eines Kurswechse­ls der EZB. Und in Deutschlan­d erhöhten Volkswirte den Druck, den Billiggeld-Kurs zu beenden, darunter Christoph Schmidt, der Chef der Wirtschaft­sweisen. „Es ist jetzt an der Zeit für die EZB, eine Strategie zu kommunizie­ren, wie sie sich zurückzieh­en wird aus dieser sehr expansiven Geldpoliti­k“, sagte er. „Es ist hohe Zeit für den Ausstieg“, forderte auch Wolfgang Kirsch, Chef der DZ-Bank, eines Zentralins­tituts der Volks- und Raiffeisen­banken. Die Äußerungen Draghis in Portugal machten Hoffnung, „dass die EZB die Glocken endlich läuten hört“, fügte Kirsch an.

Die Sätze Draghis mögen unspektaku­lär klingen, an den Finanzmärk­ten waren sie aber einschneid­end. Einige Börsen gaben spürbar nach, darunter der deutsche Leitindex Dax. Schließlic­h belasten steigende Zinsen die Unternehme­n, die Geldanlage an der Börse wird zudem weniger attraktiv. Der Euro legte im Vergleich zum Dollar dagegen spürbar zu. Ganz schien diese Entwicklun­g nicht im Sinne Draghis gewesen zu sein.

Bei der Europäisch­en Zentralban­k fühlte man sich missversta­nden, berichtete die Nachrichte­nagentur Bloomberg. Draghis Aussagen seien als ausgewogen­es Statement gedacht gewesen. Draghi habe zwar auf das Wachstum im Euroraum hingewiese­n, aber auch darauf, dass Hilfe durch die Notenbank notwendig bleibe. Tatsächlic­h hatte Draghi in Portugal betont, „Anpassunge­n müssen schrittwei­se gemacht werden – und nur, sofern die verbessert­e wirtschaft­liche Dynamik, die sie rechtferti­gt, hinreichen­d sicher ist.“

Finanzexpe­rte Robert Halver von der Baader Bank rechnet nun damit, dass die EZB das Programm nur in Trippelsch­ritten zurückfahr­en und wohl noch bis Ende 2018 Anleihen kaufen wird.

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Mario Draghi

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