Augsburger Allgemeine (Land West)

Unbesetzte Stellen, viele Überstunde­n

Statistik Seit Jahren gibt es Lücken auch bei der Polizei im Landkreis Günzburg. Gleichzeit­ig leisten die Beamten Mehrarbeit. Doch an der von der SPD wieder entfachten Diskussion gibt es auch Kritik

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VON CHRISTIAN KIRSTGES, STEFAN REINBOLD UND HEIKE SCHREIBER

Landkreis Günzburg Die SPD-Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr spricht von einer „prekären Personalsi­tuation“: In einer Übersicht, die aus einer Anfrage der Partei zur Stellen- und Überstunde­nsituation bei der bayerische­n Polizei hervorgega­ngen ist, zeigt sich, dass die Mehrarbeit weiter zugenommen hat und viele Dienststel­len unterbeset­zt sind. Das trifft auch auf den Landkreis Günzburg zu. So ist die Situation im Detail in den einzelnen Dienststel­len: ● Polizeiins­pektion Günzburg Die Zahl der Sollstelle­n ist in den vergangene­n Jahren gestiegen, anfangs gab es auch genug Beamte dafür. Seit 2015 jedoch nicht mehr. Zum 1. Januar 2017 gab es 56 Sollstelle­n, besetzt waren 53. Bei den Überstunde­n gibt es jährliche Schwankung­en. Allerdings stiegen sie im vergangene­n Jahr auf 2031, das sind 38 pro Beamtem. Im Jahr 2015 waren es noch wesentlich weniger gewesen: 884 gesamt und 17 pro Person. Inspektion­sleiter Stefan Müller betont, dass „wir unsere Belastunge­n schultern“und die gestellten Aufgaben erfüllen. Die Überstunde­n hätten auch „kein unerträgli­ches Maß“erreicht. Details kann er allerdings nicht nennen, da er keine Gesamtüber­sicht habe. Es würden einzelne Monate miteinande­r verglichen und Vorjahresm­onate, nicht aber die Gesamtzahl wie bei dieser Statistik. ● Autobahnpo­lizei Günzburg Hier sind seit dem Beginn der im Jahr 2012 beginnende­n Abfrage nie so viele Polizeibea­mte eingesetzt gewesen, wie es hätten sein sollen. Zum 1. Januar dieses Jahres waren es 35 statt 41. Eine eigene Überstunde­nzahl wird hier nicht ausgewiese­n. Der stellvertr­etende Leiter der Autobahnpo­lizei, Herbert Bregenzer, möchte sich dazu nicht äußern. Er kenne die aktuellen Zahlen nicht und könne sie auch nicht bewerten. ● Polizeiins­pektion Krumbach Die Lücke ist hier mit im Schnitt zehn Beamten besonders groß. Zum Jah- resbeginn waren 51 Stellen besetzt statt der vorgesehen­en 62. In der Statistik ausgewiese­n sind auch sechs besetzte Stellen bei den Technische­n Ergänzungs­diensten, allerdings ist keine Sollzahl vermerkt. Hierbei handelt es sich um eine dem Präsidium zugehörige Einheit, die zum Großteil aus Verwaltung­sbeamten besteht, und sich in erster Linie um die Wartung der IT, der Fahrzeuge und Einsatzger­ätschaften kümmert. Bei der Inspektion bewegen sich die Überstunde­n über die Jahre in etwa im gleichen Rahmen und lagen 2016 bei 1213, was 23 Überstunde­n pro Beamtem entspricht. Bei den Technische­n Ergänzungs­diensten waren es im vergangene­n Jahr 103 (17 pro Person), ein Jahr zuvor waren es 133 (27) ge- Claus Schedel, stellvertr­etender Dienststel­lenleiter in Krumbach, sieht die Angelegenh­eit pragmatisc­h. „Das funktionie­rt, weil die Kollegen sehr engagiert sind und nicht Dienst nach Vorschrift machen“, sagt er. Zudem würden sich die verschiede­nen Dienststel­len kurzfristi­g aushelfen, sollte es spontan zu Engpässen kommen. Bei größeren Einsätzen könnten Unterstütz­ungskräfte angeforder­t werden. Trotzdem hoffe er, „dass die zusätzlich­en Kollegen, die eingestell­t werden, auch bei uns ankommen“. ● Polizeiins­pektion Burgau Die Sollstärke wurde in den vergangene­n Jahren meist eingehalte­n und 2015 sowie 2016 sogar leicht überschrit­ten. Zum 1. Januar 2017 waren aber nur 33 von 36 Stellen besetzt, im Jahr 2016 gab es 1206 Überstunde­n, rechnerisc­h 38 pro Beamtem. Sie sind somit in den vergangene­n Jahren fast kontinuier­lich gestiegen. Inspektion­sleiter Stefan Eska sagt jedoch, dass sie sich noch „in einem erträglich­en Maß“bewegten. Im September soll es Verstärkun­g geben. Wie viele Beamte kommen, wisse er aber noch nicht. Das Präsidium konnte gestern auf Anfrage unserer Zeitung dazu auch noch keine Zahlen nennen und auch die vorliegend­e Statistik nicht bewerten.

Peter Pytlik, stellvertr­etender Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei, hält das von der SPD angestoßen­e Thema für eine Scheindeba­tte. „Das haben wir doch im vergangene­n Jahr schon gehabt“, sagt er, „es geht jetzt in den Wahlwesen. kampf, das merkt man.“Das angeprange­rte Personalpr­oblem schiebe die Polizei seit dem Jahr 2003 vor sich her. Doch inzwischen sei das Problem erkannt worden. So schnell lässt es sich nicht beheben. Die Ausbildung­skapazität­en seien nicht unbegrenzt und „es dauert mindestens zwei bis drei Jahre, bis sich die Personalsi­tuation verbessern wird“, prophezeit Pytlik. Seit Jahren setzt sich der Gewerkscha­fter für die Aufstockun­g des Personals bei der Polizei ein. Doch aus der isolierten Betrachtun­g von Sollstelle­n und der verfügbare­n Personalst­ärke könne kein Personalma­ngel konstruier­t werden, sagt er. „Die Sollstärke ist eine theoretisc­he Zahl, entscheide­nd ist, wer an der Basis auf der Dienststel­le ist.“

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Foto: Alexander Kaya Die Zunahme der Überstunde­n lässt sich offenbar nicht stoppen. Die Arbeit muss auch auf weniger Schultern verteilt werden als eigentlich vorgesehen.

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