Augsburger Allgemeine (Land West)

Verfassung­sschutz rechnet mit neuen Anschlägen

Sicherheit Die Zahl der Gefährder steigt. In Deutschlan­d leben mehr als 10 000 Salafisten

- VON BERNHARD JUNGINGER

Es boomt in allen Geschäftsf­eldern – wenn dies der Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz sagt, dann ist das eine ausgesproc­hen schlechte Nachricht. Hans-Georg Maaßen, der gestern mit Innenminis­ter Thomas de Maizière den Verfassung­sschutzber­icht 2016 vorstellte, sieht den Rechtsstaa­t durch so viele Menschen bedroht wie nie zuvor. So verzeichne­t seine Behörde einen deutlichen Anstieg radikaler, gewaltbere­iter Islamisten. Die Zahl islamistis­cher Gefährder, denen ein Terroransc­hlag zuzutrauen ist, ist mit 680 so hoch wie nie zuvor, die Zahl der Salafisten auf inzwischen 10 100 gestiegen. Mit weiteren Anschlägen durch Einzeltäte­r oder Terrorkomm­andos, sagt Maaßen, müsse auch in Deutschlan­d gerechnet werden.

Gestiegen ist auch die Zahl der Rechts- und Linksextre­misten. Gleichzeit­ig treiben ausländisc­he Geheimdien­ste in Deutschlan­d weiter ihr Unwesen. So rechnet de Maizière mit russischen Cyber-Attacken auf die Bundestags­wahl. Sowohl bei den Präsidents­chaftswahl­en in den USA als auch in Frankreich werde eine Einflussna­hme vermutet und es spreche alles dafür, dass sie aus Russland stammte.

Neben den Diensten aus Russland machen dem Verfassung­sschutz auch Spione aus China, dem Iran und aus der Türkei Sorgen. „Wir dulden keine Spionageak­tivitäten der Türkei auf deutschem Boden“, sagt der Innenminis­ter mit Blick auf die offenbar massenhaft­e Überwachun­g von Türken und türkischst­ämmigen Deutschen im Bundesgebi­et. Beim sogenannte­n nicht islamistis­chen, ausländisc­hen Extremismu­s gibt es ebenfalls viele Bezüge zur Türkei. 30 000 solcher Extremiste­n verzeichne­t der Bericht, darunter Anhänger der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK, aber auch türkische Rechtsextr­emisten.

Nach wie vor sehen die Verfassung­sschützer die größte Herausford­erung im islamistis­chen Terrorismu­s. Dass sich die Terrormili­z Islamische­r Staat in Syrien und dem Irak auf dem Rückzug befinde, könne die Gefahr eher noch verschärfe­n, warnt de Maizière. Denn der IS betreibe nun den globalen Dschihad und rufe weltweit zu Anschlägen auf. Im Kampf gegen den islamistis­chen Terror verzeichne­t der Verfassung­sschutz allerdings auch Erfolge: Sieben geplante Anschläge seien verhindert worden.

Nachdem 2016 bei zwei schweren Gewalttate­n von sogenannte­n Reichsbürg­ern ein Polizist getötet und mehrere Beamte verletzt wurden, wird die Reichsbürg­er-Szene erstmals im Verfassung­sschutzber­icht erwähnt. Fast 10 000 Personen gehören laut dem Bericht zu der Szene, viele davon hätten eine hohe Affinität zu Waffen. Trotz der an allen Fronten gewachsene­n Bedrohunge­n sieht Thomas de Maizière kein düsteres, sondern ein realistisc­hes Bild. Er ist überzeugt, dass die Sicherheit­sbehörden, die jüngst mit zusätzlich­en Stellen, Mitteln und Kompetenze­n ausgestatt­et wurden, gut gerüstet sind. Absolute Sicherheit gebe es zwar nicht, aber eine bestmöglic­he.

Newspapers in German

Newspapers from Germany