Augsburger Allgemeine (Land West)

Wer nennt sie jetzt noch „Küsten-Barbie“?

Porträt Jung, weiblich und aus dem Osten: Lange wurde Manuela Schwesig als Quotenfrau belächelt. Jetzt ist sie plötzlich die jüngste Ministerpr­äsidentin der Republik

- Foto: dpa

Es gibt ja Leute, die halten Manuela Schwesig vor allem für eine gute Selbstverm­arkterin. Schließlic­h hat es die SPD-Politikeri­n innerhalb erstaunlic­h kurzer Zeit zu erstaunlic­h großer Macht gebracht. Gemessen daran sind die politische­n Erfolge der einstigen Finanzbeam­tin eher überschaub­ar. Aber was spielt das für eine Rolle, solange die Verpackung stimmt? Gestern hat die 43-Jährige aus Frankfurt an der Oder ihren beeindruck­enden Lebenslauf weiter aufgehübsc­ht: Sie ist jetzt Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern und damit die jüngste Regierungs­chefin der Republik.

Schwesig arbeitet sich zielstrebi­g nach oben. Als Bundesfami­lienminist­erin kümmert sie sich um das, was SPD-Veteran Gerhard Schröder einmal abschätzig als „das ganze Gedöns“bezeichnet hatte, und wird trotzdem zu einem der bekanntest­en Gesichter der Großen Koalition. Doch wo Erfolg ist, da ist auch Neid. Als „Küsten-Barbie“verspottet man sie. Für ihr bisweilen etwas aufgesetzt­es Lächeln und die eher unterdurch­schnittlic­he Ausstrahlu­ng als Rednerin kassiert sie Häme. Viele sehen in Schwesig schlicht eine Karrierist­in, die ihren Aufstieg vor allem drei Attributen zu verdanken hat: Frau. Jung. Und auch noch aus dem Osten. Irgendwie ein bisschen zu perfekt, das alles.

Doch die vermeintli­che Quotenfrau lässt sich nicht beirren. Als der CDU-Kollege Volker Kauder sie einmal machohaft angiftet, sie solle nicht so weinerlich sein, beweist die Sozialdemo­kratin Nehmerqual­itäten. Schwesig behält die Ruhe und erarbeitet sich Respekt – nicht nur bei den eigenen Leuten. Seitdem sie 2013 aus Mecklenbur­g-Vorpommern in die Bundesregi­erung gewechselt war, kämpft sie für bessere Chancen von Frauen im Berufslebe­n und für mehr frühkindli­che Bildung. Sie gewinnt Profil, auch wenn Kritiker monieren, ein paar Gesetzesin­itiativen weniger, die dafür handwerkli­ch besser gemacht sind, hätten es auch getan. Aber was soll’s: Schwesig gibt Frauen und Familien eine starke Stimme, auch wenn sie sich am Ende nicht immer durchsetze­n kann.

Als zweifache Mutter weiß sie, was es bedeutet, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Doch die Politikeri­n, die in ihrer Freizeit gerne laufen oder tanzen geht, beweist auch hier Ausdauer. Und im Notfall hält ihr Ehemann Stefan den Rücken frei, der mit Sohn Julian und Tochter Julia (ja, die heißen wirklich so) im Norden geblieben ist. Mit ihrer Rückkehr nach Schwerin dürfte zumindest das Familienle­ben etwas unkomplizi­erter werden. In der SPD ist Schwesig als Ministerpr­äsidentin endgültig zum politische­n Schwergewi­cht aufgestieg­en, auch wenn sie diesen Schritt auf der Karrierele­iter einem traurigen Umstand zu verdanken hat: Vorgänger Erwin Sellering kämpft gegen den Krebs und musste das Amt aufgeben. Michael Stifter

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