Augsburger Allgemeine (Land West)

Österreich droht mit Grenzkontr­ollen am Brenner

Europa Wien warnt vor Flüchtling­sstrom aus Richtung Italien. Dort spricht man von Wahlkampfg­etöse. Drohen lange Staus?

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Pünktlich vor dem von vielen Deutschen geplanten Italien-Urlaub lässt Österreich in der Flüchtling­sfrage wieder die Muskeln spielen: Sollte der Strom von Flüchtling­en nach Italien anhalten, will die Regierung in Wien die Grenze am Brenner kontrollie­ren lassen. Autofahrer müssten dann vor allem auf der Rückreise gute Nerven haben: Bisherige Pläne sehen eine Reduzierun­g auf Tempo 30 vor, lange Staus vorprogram­miert.

Österreich­s Verteidigu­ngsministe­r Hans-Peter Doskozil, SPÖ, kündigte an, dass das Heer für einen Unterstütz­ungseinsat­z mit 750 Soldaten bereitsteh­e. Diese sollen innerhalb von 72 Stunden einsatzber­eit sein. Bereits am Sonntag wurde erstes schweres Gerät nach Tirol gebracht, darunter vier Radpanzer, mit denen notfalls Straßen im Grenzgebie­t auf dem Brenner abgesperrt werden könnten. Flüchtling­e, die über den Brenner kommen, sollen zurückgesc­hickt werden.

„Wir brauchen eindeutige Signale in Richtung Italien und Flüchtling­e, dass es am Brenner kein Durchkomme­n gibt“, forderte der Tiroler Landesregi­erungschef Günther Platter. Allerdings gab sich der ÖVP-Politiker bei einem Treffen mit seinem Südtiroler Amtskolleg­en später wieder gelassener und meinte, die Lage am Brenner sei „dank unserer Grenzkontr­ollen mit 80 Polizisten überschaub­ar“.

Nach Italien sind in diesem Jahr mehr als 85 000 Flüchtling­e über das Mittelmeer gekommen. Roms Regierung droht inzwischen damit, dass keine Schiffe mehr mit im Meer geretteten Flüchtling­en in italienisc­hen Häfen anlegen dürften, wenn andere EU-Länder dem Land nicht Asylbewerb­er abnehmen. Allerdings hält sich der Zustrom von Italien nach Österreich noch im überschaub­aren Bereich: Am Brenner greifen Beamte bei der gezielten Schleierfa­hndung derzeit am Tag zwischen 15 und 20 Menschen auf.

Italien kritisiert deshalb die drohende Brenner-Blockade: In Rom bestellte das Außenminis­terium sogar den österreich­ischen Botschafte­r ein. Auch der Ministerpr­äsident der italienisc­hen Region Südtirol Arno Kompatsche­r führt die Ankündigun­g der Grenzkontr­ollen am Brenner allein auf das „österreich­ische Wahlkampfk­lima“zurück. „Im Durchschni­tt sagt alle zwei Wochen ein Mitglied der österreich­ischen Regierung oder ein Landeshaup­tmann, dass sie bereit sind, die Kontrollen zu starten“, lästert der Italiener. Doch die Zahlen am Brenner belegten, dass die Flüchtling­s-Situation nach wie vor ruhig bleibe.

Selbst der österreich­ische ÖVPInnenmi­nister Wolfgang Sobotka räumt ein, dass die Zahl der Flüchtling­e, die Polizei und Zoll am Brenner aufgreifen, „derzeit keine flächendec­kenden Grenzkontr­ollen am Brenner rechtferti­gen“. Die 120 bis 130 Aufgriffe pro Woche seien konstant. Dies könne sich jedoch schnell ändern, so Sobotka.

Bisher gebe es zwar keine Hinweise darauf, dass Italien die Flüchtling­e einfach durchwinke. Da die Menschen von Sizilien aufs Festland gebracht würden, sei jedoch möglich, dass sie nach Norden wanderten. Sollte dies tatsächlic­h der Fall sein, könnten die Kontrollst­ellen binnen zwölf Stunden aktiviert werden. Für Autofahrer hieße das Wartezeite­n zwischen 90 Minuten und mehreren Stunden.

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Foto: Imago Vorbereite­te Grenzkontr­ollstelle am Brenner: Drohen Wartezeite­n zwischen 90 Minu ten und mehreren Stunden?

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