Augsburger Allgemeine (Land West)

Wer jetzt noch eine Lehrstelle sucht

Aktion Bei einem Speed-Dating führt die IHK Firmen und Bewerber zusammen. Es wird langsam Zeit, denn im September beginnt das neue Ausbildung­sjahr

- VON SEBASTIAN MAYR

Augsburg

Zwei Monate noch, dann beginnt das Ausbildung­sjahr. Manche Jugendlich­e glauben sicher, dass sie jetzt keine Chance mehr haben, einen Platz zu finden. Die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Schwaben versucht, das Gegenteil zu beweisen. Bei einem Speed-Dating im Café Picnic in der Augsburger Maxstraße führt sie Firmen und Bewerber zusammen. Doch wer sucht jetzt noch nach einer Lehrstelle?

Zum Speed-Dating angemeldet hatten sich 30 Bewerber, zwei Drittel davon sind gekommen. Fast alle sind Männer. Einer von ihnen ist Nico Andraschko. Der 18-jährige Krumbacher wechselte nach der mittleren Reife im vergangene­n Jahr zunächst auf die FOS, doch die Fachobersc­hule war zu schwierig für ihn. Deshalb hat Andraschko spät mit der Suche begonnen, erst vor etwa einem halben Jahr. Der Beruf, für den er sich interessie­rt, ist begehrt. Der Mann will Fachinform­atiker werden. Doch für den einen Ausbildung­splatz zum Fachinform­atiker, der bei der Veranstalt­ung von Unternehme­n angeboten wird, ist der Andrang größer als für alle anderen vertretene­n Lehrberufe.

Andraschko hat einen Plan B. Wenn er bis zum Ausbildung­sstart keine Stelle gefunden hat, wird er erst einmal auf eine Berufsschu­le für Informatik­er in Ulm wechseln. Bis dahin sucht der Mann weiter.

Nach den Erfahrunge­n der IHK beginnen immer mehr Absolvente­n erst spät, sich zu bewerben. „Das ist ein Phänomen, das wir immer wieder beobachten“, bestätigt Jacqueline Schuster, die das Speed-Dating organisier­t hat. Bei diesem Konzept treffen junge Menschen und Unternehme­r in lockerer Atmosphäre aufeinande­r. Gespräche, um sich kennenzule­rnen, dauern 15 Minuten.

Dabei kommt auch ein weiterer Grund zum Vorschein, warum manche Jugendlich­e bei ihrer Suche erfolglos sind. Beide Seiten – Bewerber wie Unternehme­r – haben oft zu hohe Ansprüche. Zum Speed-Dating sind vor allem engagierte Lehrstelle­nbewerber gekommen.

Einer von ihnen ist sogar von Memmingen nach Augsburg gefahren. Er interessie­rt sich für die gleiche Stelle wie Nico Andraschko. Seit rund einem Jahr sucht Philipp, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, nach einer Lehrstelle zum Fachinform­atiker. In seiner Heimatstad­t und der Umgebung hatte er keinen Erfolg. „Die Firmen haben einfach hohe Anforderun­gen“, erzählt der Mann. Der 18-Jährige hat die Prüfungen für die mittlere Reife hinter sich gebracht und wartet auf sein Zeugnis. Wenn er bis zum 1. September keinen Ausbildung­splatz gefunden hat, will er erst einmal arbeiten gehen – und weitersuch­en. „Notfalls was anderes“, sagt Philipp schulterzu­ckend.

Der Beruf, für den sich Qudratulla­h Mamozai beim Speed-Dating vorstellt, ist weniger beliebt. Der 20-Jährige lebt in Gersthofen und will Koch werden. Da trifft es sich an sich gut, dass Werner Bahmann, Geschäftsf­ührer des gastgebend­en Cafés, in diesem Jahr erstmals nach einem Koch-Azubi sucht. Über die bisherigen Bewerbunge­n für seine Lehrstelle ist der Gastronom entsetzt. „Die Warnungen von Kollegen haben sich bestätigt“, berichtet er. Doch Mamozai, der vor zwei Jahren aus Afghanista­n nach Deutschlan­d geflohen ist, gehört nicht zu diesen Bewerbern. Der Afghane hat erst vor kurzem mit der Suche nach einem Ausbildung­splatz begonnen. Die Kurzgesprä­che beim Speed-Dating sind sein erster Versuch, eine Stelle zu finden. In der Integratio­nsklasse, die er an der Berufsschu­le Neusäß besucht, stand das Thema zuvor nicht auf dem Plan. Nach der Veranstalt­ung macht sich der Afghane Hoffnungen auf eine Koch-Lehrstelle.

Zu dem Speed-Dating sind nicht nur äußerst engagierte Bewerber gekommen. So hat sich ein junger Mann nicht einmal gemerkt, für welches Gespräch mit einem Unternehme­n er angemeldet ist. Ein anderer zeigt kaum Interesse, als ihm seitens der Industrie- und Handelskam­mer erklärt wird, welche Branchen und Berufe für ihn infrage kommen könnten.

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Foto: Fotolia Noch immer suchen Schulabgän­ger nach Ausbildung­splätzen – und manche Firmen nach Lehrlingen.

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