Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie sicher sind Reisebusse?

Verkehr Nach dem tödlichen Bus-Drama auf der A9 sind noch viele Fragen offen. Der Ruf nach Konsequenz­en wird immer lauter und eine Umfrage bringt Besorgnise­rregendes zutage

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Nach dem tragischen Busunglück auf der A9 in Oberfranke­n, bei dem am Montag 18 Menschen ums Leben kamen, wird über die Ursachen, die Sicherheit von Reisebusse­n und die Konsequenz­en diskutiert. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick:

Wer war schuld an der Katastroph­e?

Diese Frage ist noch nicht geklärt, allerdings haben Polizei und Staatsanwa­ltschaft momentan nur den Busfahrer, der bei dem Unfall ums Leben kam, als Verursache­r im Visier. Gegen andere Personen werde derzeit nicht ermittelt. Der Firmensitz des Busunterne­hmens in Sachsen wurde durchsucht, Unterlagen wurden sichergest­ellt.

Wie geht es den Überlebend­en?

Sieben der 30 verletzten Personen konnten gestern das Krankenhau­s verlassen, drei sind nach Angaben der Polizei noch in Lebensgefa­hr.

Wie sicher sind Reisebusse?

Ein Blick auf die Unfallzahl­en macht deutlich: Reisebusse zählen im Straßenver­kehr zu den sichersten Verkehrsmi­tteln. Im Jahr 2015 ereigneten sich nach Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s in Deutschlan­d insgesamt rund 400 000 Verkehrsun­fälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden – an rund 6100 waren Busse beteiligt, also an 1,5 Prozent. 3459 Menschen starben in jenem Jahr auf deutschen Straßen – fünf davon saßen in einem Bus. In den Jahren 2010 bis 2015 lag die Busbeteili­gung im Schnitt ebenfalls bei 1,5 Prozent, dabei starben 86 Menschen.

Warum brannte der Bus so schnell komplett aus?

Die Ermittlung­en dazu laufen. Untersuchu­ngen des Bundesamte­s für Materialwi­rtschaft haben aber bereits in der Vergangenh­eit gezeigt, dass die Innenausst­attung von Reisebusse­n trotz europäisch­er Richtlinie­n relativ schnell Feuer fängt – im Gegensatz beispielsw­eise zur Innenausst­attung von Zügen der Deutschen Bahn. Kritiker fordern daher eine Anpassung der Vorschrift­en.

Welche Sicherheit­svorschrif­ten gelten für deutsche Reisebusse?

Neben diversen Vorgaben zu Lenkund Ruhezeiten für Fahrer (höchstens zehn Stunden an einem Tag, 45 Minuten Pause nach 4,5 Stunden) und der Anschnallp­flicht für Fahrgäste gibt es auch technische Vorschrift­en. So müssen unter anderem Rauchmelde­r im Motorraum und in

Toilette sowie mindestens ein Feuerlösch­er an Bord sein. Seit 2015 ist bei neuen Bussen zudem ein Notbrems-Assistent (AEBS) vorgeschri­eben, der im Notfall das Fahrzeug vor einem nahenden Hindernis automatisc­h abbremst. Bis 2018 müssen auch ältere Busse nachgerüst­et werden. Das System kann allerdings vom Fahrer eigenhändi­g ausgeschal­tet werden. Kritiker fordern, das Abschalten zu verbieten.

Welche zusätzlich­en technische­n Maßnahmen sind möglich?

Auf freiwillig­er Basis können Busunterne­hmen ihre Fahrzeuge beispielsw­eise mit Sprinklera­nlagen im Motorraum ausstatten, die im Fall eines Brandes anspringen und das

Feuer löschen. Dazu bietet beispielsw­eise Busherstel­ler Daimler bei seinen Setra-Bussen, die in NeuUlm produziert werden, ab 2018 den „Active-Brake-Assist 4“an, der Fußgänger auf der Straße rechtzeiti­g erkennt. Ein Bus aus dem Hause Daimler kostet laut eines Unternehme­nssprecher­s neu rund 300 000 Euro – für rund 3000 Euro Aufpreis sei das komplette zusätzlich­e Sicherheit­spaket zu haben.

Wie reagiert die Politik auf die Probleme mit Gaffern und der Rettungsga­sse beim Unfall auf der A9?

Seit Ende Mai gilt es bereits als Straftat, bei Unglücksfä­llen vorsätzlic­h Einsatzkrä­fte zu behindern, die Hilfe leisten oder leisten wollen. Dader

rauf stehen Geldstrafe­n oder bis zu ein Jahr Haft. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) will Behinderun­gen von Rettungskr­äften drastisch schärfer ahnden. Bilden Autofahrer keine Notgasse, sollen statt der bisherigen Geldbuße von 20 Euro künftig mindestens 200 Euro und zwei Punkte in der Verkehrssü­nderdatei in Flensburg drohen. „Wir werden die geplante Erhöhung der Bußgelder noch einmal deutlich verschärfe­n“, sagte Dobrindt. Im schwersten Fall mit Sachbeschä­digung sollen nach Angaben des Ministeriu­ms bis zu 320 Euro, zwei Punkte sowie ein Monat Fahrverbot fällig werden. Am Freitag befasst sich der Bundesrat mit dem Thema.

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Foto: Matthias Balk, dpa Ein Anblick des Schreckens: In diesem Buswrack starben am Montagmorg­en 18 Menschen. Das Unglück auf der A9 nahe Hof ist eines der schwersten Busunfälle Bayerns.

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