Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Lebemann der Leichtathl­etik

Carlo Thränhardt war Weltrekord­ler und Raucher. Zum 60. erholt er sich von einer Not-OP

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Carlo Thränhardt traf man einst in den Leichtathl­etik-Stadien nicht nur rund um die Hochsprung­matte an: Irgendwo hinter der Tribüne paffte er schon mal eine Zigarette. „Na, höchstens vier, fünf am Tag waren es damals“, beteuert der frühere Hallen-Weltrekord­ler heute. „Sinnvoll war es logischerw­eise nicht.“

Derzeit versucht er wieder mal, seinen Konsum zu reduzieren. Eine Not-Operation im März wegen eines Aneurysmas (Schlagader-Erweiterun­g) hat sein Leben etwas verändert. Sportliche Ziele aber hat Thränhardt auch noch zu seinem 60. Geburtstag am heutigen Mittwoch. Im August will er im Rahmenprog­ramm des Traditions­meetings von Eberstadt die 1,81 Meter knacken – den Alters-Weltrekord M60. „Den hält ein Russe, und er ist einfach zu niedrig“, sagt Thränhardt. „Ich muss halt richtig fit werden. Wie das Springen geht, weiß ich ja. Es macht mir immer noch Spaß, auf ein Ziel hin zu trainieren.“In der schwäbisch­en Weinbaugem­einde hat sich Thränhardt so manch heißen Kampf mit Rivalen wie dem kubanische­n Überfliege­r Javier Sotomayor und Olympiasie­ger Dietmar Mögenburg geliefert. „Drei fliegen übers Telefonhäu­schen“– so lautete die findige Überschrif­t eines Journalist­en, als mit Thränhardt, Mögenburg und Gerd Nagel drei Deutsche die 2,30 Meter überquerte­n. Das war 1979, lange her, aber Thränhardt hat sich – die Falten weggedacht – kaum verändert: Der 1,99-Meter-Mann ist ein Schlaks geblieben, die Haare immer noch weit über die Ohren.

Während Mögenburg bei den Sommerspie­len 1984 in Los Angeles triumphier­te, gewann Thränhardt seinen einzigen internatio­nalen Titel bei der Hallen-EM 1983. Irgendwie jagte der eigenwilli­ge Athlet mehr den Höhen hinterher als den Podestplät­zen. Am 26. Februar 1988 in Berlin segelte er über 2,42 Meter – Hallen-Weltrekord! Und bis heute Europareko­rd und die zweitbeste Höhe unterm Dach hinter Sotomayors Weltrekord von 2,43. Die deutsche Freiluft-Bestenlist­e führt Thränhardt mit 2,37 Metern immer noch an. Heute ist Thränhardt Mentalund Fitnesscoa­ch. Er engagiert sich in der Krebsfrühe­rkennungsK­ampagne „Männer reden jetzt“und ist stolzer Familienva­ter. Im März bekam der Wahl-Münchner bei einer Routineunt­ersuchung die erschrecke­nde Diagnose: Aneurysma, die lebensgefä­hrliche Ausweitung der Hauptschla­gader. Die Operation hat er gut überstande­n. „Es geht mir wieder sehr gut, Gott sei Dank“, sagt er. „Aber man wird schon nachdenkli­ch.“

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Foto: dpa Carlo Thränhardt überquert am 26. Fe bruar 1988 die 2,42 Meter – neuer Hal lenweltrek­ord.
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Carlo Thränhardt

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