Augsburger Allgemeine (Land West)
„Ein Mann mit Muskeln, der nichts im Hirn hat“Prozess
Was eine Schwester des Opfers über den mutmaßlichen Foltermörder von Großaitingen sagt
Augsburg
Die Schwester des Opfers war über die Beziehung von Beginn an nicht glücklich. Sie mochte den neuen Freund nicht, den Marlena ihr im Frühjahr des vorigen Jahres vorstellte. Er sei ihr gleich unsympathisch gewesen, sagt die Schwester später den Mordermittlern der Augsburger Kripo. Piotr S. sei ein „typischer Mann mit Muskeln, der nichts im Hirn hat“. Die Schwester hatte recht mit ihrer Skepsis. Am 25. Oktober 2016, nachmittags gegen 16.30 Uhr, folterte Piotr S. seine Freundin Marlena P., 33, und prügelte sie zu Tode. Das Motiv: rasende Eifersucht.
Die Tat spielte sich in einer Unterkunft für überwiegend aus Polen stammende Leiharbeiter in Großaitingen ab. Piotr S., 32, hatte über die Zeitarbeitsfirma bei einem Fleischwarenhersteller in Landsberg gearbeitet. Marlena P. war erst gut drei Wochen vor ihrem gewaltsamen Tod nach Deutschland gekommen. „Sie wollte Geld verdienen und an Weihnachten wieder daheim sein“, berichtete die ältere Schwester der Kriminalpolizei. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde am Dienstag im Mordprozess gegen Piotr S. vor dem Augsburger Schwurgericht verlesen. Die Schwester hatte mitgeteilt, sie sehe sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, aus Polen nach Augsburg zu reisen, um hier als Zeugin auszusagen.
Marlena P. hatte sich erhofft, im Raum Augsburg in ihrem erlernten Beruf als Altenpflegerin arbeiten zu können. Sie bekam jedoch nur einen Job in einem Betrieb für Kunststoffproduktion. Beschwert habe sie sich darüber nicht, sagt die Schwester. Was Marlena P. aber nicht gefiel, war die Unterkunft in Großaitingen. Zerstörte Fenster wurden mit Pappe repariert, als Betten dienten teils Matratzen, die einfach auf dem Boden lagen. In den Toiletten stank es beißend nach Urin. Außer ihr wohnten hier nur Männer. Und deren Freizeitbeschäftigung war offenbar vor allem der Suff. Piotr S. erzählt, an den Wochenenden hätten er und seine Kumpels von Freitag bis Sonntag durchgesoffen – mit „viel Alkohol“. Dazu kamen Drogen. Anwohner hatten kurz nach der Tat gegenüber unserer Zeitung von Lärm und Schmutz berichtet. Eine Frau sagte: „Die saufen sich hier kaputt.“
Piotr S. flog etwa zwei Wochen vor der Tat aus der Unterkunft, weil er einen Mitbewohner bedroht hatte. Er vermutete, der Mitbewohner habe eine Affäre mit seiner Marlena. Das Paar kam vorübergehend bei einer Bekannten unter. Wenige Tage vor der Tat flog Piotr S. aber auch bei der Bekannten raus, weil er dort ausgerastet war – ebenfalls aus Eifersucht. Er zog wieder in die Unterkunft. Dort, in einem Zimmer im Erdgeschoss, stellte er Marlena P. am Nachmittag des 25. Oktobers zur Rede. Er rasierte ihr teils die Kopfhaare ab und schlug sie – unter anderem in den Genitalbereich und gegen den Kopf. Er wollte den Namen ihres Liebhabers wissen, sagte S. vor Gericht aus. Doch den konnte Marlena P. nicht nennen. Denn alles deutet darauf hin, dass sie nicht fremdgegangen ist. Das sagt auch die Schwester: „Marlena war verliebt. Sie war gutmütig und nicht der Typ Frau, der eine Affäre hat“.
Etwa drei Stunden nach der Tat hatte Piotr S. seine schwer verletzte Freundin ins Bobinger Krankenhaus gebracht. Sie war bewusstlos. Als Ärzte die Frau kurz darauf untersuchten, war bereits der Hirntod eingetreten. Der Mordprozess gegen Piotr S. wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann soll unter anderem ein Gutachter einschätzen, ob der Angeklagte voll schuldfähig ist – oder ob er sich wegen einer krankhaften Eifersucht nicht richtig kontrollieren konnte. Das Urteil könnte dann – nach derzeitigem Stand – am Freitag verkündet werden.