Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie ein Mörder mit dem Gefängnis abrechnet
Justiz Ein Häftling beleidigt einen Beamten einer Justizvollzugsanstalt. Das letzte Wort nutzt er zur Generalabrechnung
Solche Szenen sind in Augsburgs Gerichtssälen selten: Der Angeklagte, ein athletisch gebauter Kasache mit prallen Oberarmmuskeln, wird von vier Justiz- und Polizeibeamten hereingeführt. Er schlurft über den Boden, denn seine Füße sind mit einer Stahlkette zusammengebunden, seine Hände mit Fesseln fixiert.
Der 40-Jährige, der ein goldenes Halskettchen mit Kreuz trägt, gilt als hochgefährlich. Er ist ein zu lebenslänglicher Haft verurteilter Mörder. Im Juni 2011 hat er in der Nähe von Tirschenreuth in der Oberpfalz einen Gastwirt, 67, mit sieben wuchtigen Hammerschlägen auf den Kopf getötet, Bargeld, Schmuck und zwei Silberbarren aus dem Tresor geraubt.
Der Gefangene, der eine Zeit lang im Gefängnis Kaisheim einsaß, ist der Beleidigung eines höheren Beamten aus der Anstaltsleitung angeklagt. Er hat ihn als „Lügner“und „hinterfotzigen Typ“bezeichnet. Dahinter steht er auch jetzt. Nachdem seine Verteidigerin Alexandra Gutmeyr die Vorwürfe in seinem Namen eingeräumt hat, die Plädoyers gesprochen sind, nutzt der 40-Jährige das ihm laut Gesetz zustehende „letzte Wort“für eine Generalabrechnung mit dem Kaisheimer Gefängnis.
Es geht darin vor allem um den Umgang mit drogensüchtigen Häftlingen. Der von ihm beleidigte Führungsbeamte spiele sich wie ein Richter auf, Drogenkranken würden gegeneinander ausgespielt und häufig in den „Bunker“gesperrt, also zur Strafe in Einzelhaft genommen. Anwältin Alexandra Gutmeyr sagt, ihr Mandant habe sich im Gefängnis „verraten“gefühlt. Vieles liege dort im Argen.
Hintergrund ist offenbar, dass in Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Behandlung von heroinsüchtigen Häftlingen mit dem Ersatzstoff Methadon sehr restriktiv gehandhabt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in sich das von einer Dolmetscherin übersetzte „Eigenplädoyer“des Angeklagten geduldig an, erklärt aber, er könne die Verhältnisse in Kaisheim auch nicht ändern und verurteilt den 40-Jährigen zu weiteren