Augsburger Allgemeine (Land West)
Reichsbürger droht der Justiz mit Anzeige bei Militärstaatsanwaltschaft
Gericht Mann aus Welden hatte Rundfunkgebühren nicht bezahlt. Der 66-Jährige fordert „rechtsgültige Legitimation“. Jetzt wird’s richtig teuer
Augsburg/Welden
„Seien Sie doch vernünftig“, sagt der Justizwachtmeister zu dem älteren Mann, der sich nicht setzen will. Er will stehen. Und er will eine Erklärung verlesen. Doch Richterin Kerstin Wagner lässt ihn nicht. Sie gibt dem Angeklagten unmissverständlich zu verstehen: „Ich nehme jetzt keine Erklärung entgegen.“Sie hat das Wort und sie will die Sitzung gegen den Reichsbürger aus Welden eröffnen. Nachdem sie ein Ordnungsgeld angedroht hat, setzt sich der 66-Jährige – aber nur unter Protest, wie er erklärt. Dann muss er sich die Anklage anhören, die der Staatsanwalt verliest.
Der angeklagte Mann hatte eine Forderung des Bayerischen Rundfunks erhalten. Weil er die nicht bezahlt hatte, lief ein Vollstreckungsverfahren an. Daraufhin schickte er ein Schreiben an einen Beamten des Justizministeriums und forderte diesen auf, eine „rechtsgültige Legitimation mit Alliiertenkontrollnummer für das Verfahren“vorzulegen. Falls das nicht geschehe, drohte er mit einer Anzeige bei der russischen Militärstaatsanwaltschaft in Berlin wegen „Weiterführung krimineller Handlungen“. Die Antwort der Staatsanwaltschaft: Ein Strafbefehl wegen versuchter Nötigung mit einer Geldstrafe von 1600 Euro. Doch genau dagegen legte der Mann Einspruch ein.
In der Verhandlung darf der Mann aus Welden dann doch noch seine Erklärung verlesen. Er stellt sich als „freien, beseelten Mann“vor. Er sei nicht die beschuldigte Person, er trete als Drittperson auf. Den Beschuldigten habe er aber mitgebracht und stelle ihn zur Verfügung. Als er das letzte Wort hat, gibt es eine weitere Erklärung – „unter Eid und unbegrenzter Haftung“: Der Reichsbürger fordert Beweise für ein „unspezifisches Vertragsverhältnis“mit seiner Einwilligung und Haftbarkeit. Er setzt auch eine Frist: Werden die Beweise nicht binnen 72 Stunden geliefert, dann erkläre er das Verfahren für abgeschlossen. Tatsächlich abgeschlossen wird nur das Verfahren wegen versuchter Nötigung, nämlich erstinstanzlich. Richterin Kerstin Wagner verurteilt den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 1750 Euro. Der Reichsbürger kündigt im Gerichtssaal unter erhöhter Polizeipräsenz eine weitere Erklärung an. Doch die sei nur an eine Privatperson gerichtet und nicht für die Öffentlichkeit gedacht.
Bayernweit identifizierten die Behörden nach Angaben des Innenministeriums bislang 1700 Personen nachweislich als Reichsbürger. Dazu kommen etwa 1600 Personen, für die Hinweise auf die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung vorliegen – laut Verfassungsschutz mehrere Hundert davon in Schwaben.