Augsburger Allgemeine (Land West)
Hundert Bonbons für Schwester Anni
Jubiläum Die Diakonisse Anni Schamberger feiert Geburtstag und bekommt ein besonderes Geschenk
Sie haben ihr einen prächtigen Thron gebaut – aus einem roten Kissen und einer Borte aus hundert in Goldpapier gewickelten Bonbons. Die hundert Bonbons stehen für die 100 Jahre Leben, die der Augsburger Diakonisse Schwester Anni Schamberger geschenkt wurden. Mit einer Andacht und einem Fest mit ihren Mitschwestern konnte Schwester Anni in diesen Tagen diesen besonderen Geburtstag feiern.
Sie ist die erste Schwester in der fast 162-jährigen Geschichte des Mutterhauses der evangelischen Diakonissenanstalt Augsburg, die dieses biblische Alter erreicht hat. „Das ist von selber gekommen“, sagt sie und blickt ihr Gegenüber mit wachen, fröhlichen Augen an. In ihrem Zimmer im Feierabendmutterhaus des Diako sind noch die Spuren des Geburtstagsfestes zu sehen – die Bonbons, Geschenke und Glückwunschkarten. Schwester Anni zeigt die von ihrem Neffen – ein Gutschein für eine Fahrt mit ihm ins heimatliche Franken.
1917 wurde sie in Rödental-Oeslau als eines von sechs Kindern des Bahnhofsvorstehers geboren. „Ich bin gewiss auf die Welt gekommen, als ein Schnellzug durchfuhr“, meint sie verschmitzt, „ich fahr’ unheimlich gerne auf vier Rädern“. Deshalb hat sie’s auch so gern, wenn sie mit ihren Mitschwestern einen Ausflug, den sie „Buswandern“nennen, machen kann.
Das Leben hat Schwester Anni an viele Stationen gebracht, und für jedes Jahr, für jedes Jahrzehnt ist sie dankbar. Mit 14 lernte sie Weißnäherin, danach ging sie mit einer Schulkameradin als Haustochter zu den Diakonissen in die Gemeinde St. Sebald in Nürnberg.
Von dort wechselte sie direkt ins Augsburger Mutterhaus, wo sie mit 21 Jahren eingesegnet wurde – nach der Ausbildung im sogenannten „Lehrzimmer“und zur Krankenschwester.
Dass sie Diakonisse und Krankenschwester werden wolle, habe sie „innerlich gespürt“und sie erzählt von mancher Szene, wie sie am Krankenbett dem einen oder anderen auch das Beten gelehrt hat.
Schwester Annis Leben war auch geprägt von ständigen Aufbrechen und Zurücklassen. Sie arbeitete an verschiedenen Einsatzstellen – in Marktredwitz, Feuchtwangen, Erlangen, Passau und natürlich in Augsburg. „Es war immer so, dass ich schwer hingegangen und dann auch wieder schwer weggegangen bin“, erinnert sich Schwester Anni. Mit 70 Jahren ging sie in den Feierabend, wie der Ruhestand für Diakonissen heißt. Noch immer sind ihre Tage erfüllt, allein schon durch den Rhythmus des Ordenslebens.
Wer Schwester Anni begegnet, spürt, welch große Lebensfreude und Dankbarkeit sie ausstrahlt. Sie zeigt zu ihrem Fenster hinaus, wo auf dem Balkon die Geranien blühen, und wo sie an den Bäumen im Park die Jahreszeiten miterleben darf.
Wie schön sei es doch, im Frühjahr zu sehen, wie die kleinen, grünen Blattspitzen heraus kommen. Schwester Anni ist davon überzeugt, dass es Gnade ist, all dies erleben zu dürfen. Eine Haltung, die sie auch durch schwere Zeiten, die das Leben mit sich gebracht hatte, getragen hat.
Gefragt nach einem biblischen Wort, das sie lieb gewonnen und begleitet hat, zögert sie nicht. Sie zitiert einen Vers aus dem Psalm 73: „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun“. Schwester Anni Schamberger ist diesem Motto durch ihr Leben treu geworden.