Augsburger Allgemeine (Land West)
Sicherheitsstandards „wie ein alter VW Käfer“
Energie SPD- und Grünen-Politiker kritisieren das AKW Gundremmingen. Was bei einem Super-Gau passieren würde
Dinkelscherben
„Super-Gau und dann?“– so hieß eine Veranstaltung von neun SPD-Ortsvereinen in Dinkelscherben. Mehr als 50 Besucher wollten die Informationen von Experten hören und stellten viele Fragen. Neben Kreisrätin Annette Luckner aus Dinkelscherben saßen Raimund Kamm (früherer GrünenLandtagsabgeordneter und Atomkraftwerks-Spezialist), SPD-Landtagsabgeordneter Herbert Woerlein und Gerd Olbrich (SPD-Fraktionsvorsitzender im Günzburger Kreistag). Kamm sagte, die SiedewasserReaktoren in Gundremmingen hätten einen Sicherheitsstandard wie ein VW Käfer von 1972 und nach der Stilllegung des Reaktors werde Gundremmingen das größte Atommüll-Lager Deutschlands haben. Genehmigungen seien bis 2046 erteilt, der Müll müsse jedoch eine Million Jahre verschlossen lagern.
Kamm, seit vielen Jahren einer der erbittertsten Gegner des Kraftwerks, erläuterte das Super-GauSzenario. Die Region im Umkreis von fünf Kilometern müsse in sechs Stunden evakuiert werden. Alles, was sich 20 Kilometer um den Reaktor befindet, hat 24 Stunden Zeit, sich aus der Gefahrenzone zu bringen. Die bedrohte Bevölkerung soll laut Plan ausreichend mit Jodtabletten zur Strahlenabwehr versorgt werden. Wie das alles im Ernstfall zu bewerkstelligen sein soll, ist un- klar, sagte Kamm: „Es gibt keine Vorverteilung, keine Konzepte, Planung Fehlanzeige. In der Hoffnung, dass nichts passiert.“
Über gravierende Störfälle, die erst spät der Bevölkerung mitgeteilt werden, und mangelnde IT-Sicherheit berichtete Herbert Woerlein. Die SPD im Landtag tue sich schwer, an Informationen zu kommen: „Die Staatsregierung spielt da nicht mit offenen Karten. Gundremmingen ist ein Sicherheitsrisiko, hat eine völlig veraltete Technik und muss sofort stillgelegt werden.“Gerd Olbrich erinnerte daran, dass erst Mitte der 2040er-Jahre der Rückbau abgeschlossen sein wird: „Bis dahin bleibt von außen alles baulich so, wie es heute ist.“Da man auf dem besten Weg sei, zu 100 Prozent erneuerbare Energie anbieten zu können, werde kein Haushalt im Dunkeln sitzen, sollte des AKW schon jetzt abgeschaltet werden. Darin waren sich die Politiker einig. „Es gilt, die Risiken zu minimieren, die Sicherheit zu erhöhen und wachsam zu bleiben“, sagte Luckner. Kamm gab Tipps mit auf den Weg: „Jedes Auto sollte immer Sprit für rund 100 Kilometer im Tank haben, damit man bei einem Gau schnell verschwinden kann.“Außerdem im Ernstfall keine Autobahn oder Bundesstraßen benutzen („da fahren alle“), die Windrichtung zu beachten und weit weg von Gundremmingen „flüchten“.