Augsburger Allgemeine (Land West)
Papa Xi, der Vater der Nation
Porträt Der chinesische Präsident Xi Jinping hat die Würde, die Trump fehlt. Bei seinem Volk ist er hoch angesehen. In seiner Machtfülle ist er aber auch gefährlich
Unter den Gipfelteilnehmern tritt Chinas Präsident Xi Jinping besonders selbstbewusst auf – und er ist besonders auf seine Würde bedacht. Seine Leute haben im Vorfeld sichergestellt, dass er bei der Sitzordnung und auf Fotos auch ja seinem Rang entsprechend positioniert ist. Seine angemessene Stellung ist dabei die eines der wichtigsten Führer der Weltgemeinschaft – direkt neben dem US-Präsidenten.
Xi Jinping ist damit vermutlich derzeit der mächtigste Mann der Welt. Der amerikanische Präsident muss sich mit einem komplizierten Rechtsstaat, demokratischer Kontrolle und kritischen Medien herumschlagen – alles Dinge, die China nur dem Namen nach hat. In China befinden sich alle diese Institutionen unter der Kontrolle der Partei. Und die Partei führt ihr Generalsekretär: Xi Jinping. Der 64-Jährige ist auch Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee und kontrolliert den gewaltigen Sicherheitsapparat. Das sind zusammen rund fünf Millionen Soldaten, Agenten und Polizisten, dazu zahllose freie Spitzel in der Gesellschaft und zwei Millionen Internetzensoren.
Seit seinem Amtsantritt 2012 hat Xi seine Gefolgsleute auf allen Schlüsselpositionen in Staat und Partei positioniert. Wer ihm widersprach, dem drohte Verhaftung. An Straßenecken hängen Propagandaposter, die Xi preisen und dazu aufrufen, seinen Anweisungen und denen der Partei loyal zu folgen. Die gelenkten Medien überbieten sich in Lobpreisungen für „Papa Xi“, den „Vater der Nation“. Seit dem legendären Diktator Mao Zedong hatte niemand das ganze große China so fest im Griff wie Xi. Der starke Mann ist zudem hochpopulär. Wenn etwas schiefläuft, wenn der Parteisekretär im Dorf beispielsweise korrupt ist, wenn ein Bauer keine Krankenversicherung hat, geben die Leute in der Provinz nicht etwa dem eigentlich allmächtigen Xi die Schuld. Sondern sie sagen: „Wenn Xi das wüsste!“, und versuchen, mit ihrer Petition bis zur Parteiführung in Peking durchzukommen. Xi kann mit dieser Machtfülle etwas anfangen, und er kann mit ihr umgehen. Der Sohn eines hohen Parteifunktionärs, der Chemieingenieurswesen und Jura studiert hat, wirkt rational und geerdet, zeigt keine Marotten und wägt seine Entscheidungen sorgfältig ab. Sein Privatleben ist weitgehend geheim. Bekannt ist nur, dass er seit 1987 in zweiter Ehe mit Peng Liyuan verheiratet ist, einer bekannten Folksängerin und Mitglied im Musikkorps der Volksbefreiungsarmee. Und dass ihre gemeinsame Tochter Mingze in Harvard studiert.
Bei so einem Selbstbewusstsein und so einer Machtfülle bleibt die Diskussion nicht aus, ob Xi auch wirklich – wie vorgesehen – nach zehn Jahren Amtszeit abtreten wird. Xi lässt sich nun im Bruch mit dieser Gepflogenheit als „Zentraler Führer“feiern. In Peking verbreiten sich Gerüchte, dass er sich die Amtszeit über 2023 hinaus verlängern will. Finn Mayer-Kuckuk