Augsburger Allgemeine (Land West)

Darum beneidet uns Trump

Beruf Immer wieder heißt es, die deutsche Wirtschaft sei dank der dualen Berufsausb­ildung so stark. Andere Staaten wollen das System kopieren. Kann das klappen?

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg

Die Chinesen wollen sie, die Koreaner auch. Die Kroaten sind interessie­rt, genauso die Slowaken, Spanier und Griechen. Und sogar Donald Trump, der sonst kein gutes Wort für Deutschlan­d übrighat, ist von ihr begeistert. Er lobte Kanzlerin Angela Merkel sogar bei ihrem ersten Besuch für den guten Job, den die Deutschen gemacht haben. Und meinte damit die duale Berufsausb­ildung.

Hierzuland­e ist es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass, wer eine Ausbildung macht, gleichzeit­ig im Betrieb und an der Schule lernt und dafür bezahlt wird. In anderen Ländern ist das unvorstell­bar. Wer dort etwas lernt, geht nur zur Schule. Doch immer wieder heißt es, die duale Ausbildung sei einer der Gründe, warum Deutschlan­d wirtschaft­lich so gut dasteht, warum die Jugendarbe­itslosigke­it so gering ist. Wie es heißt, will Angela Merkel das Erfolgsmod­ell auch zum Thema beim G20-Gipfel machen. Es ist also an der Zeit, sich umzugucken, und dem Geheimnis hinter dem Erfolg auf die Spur zu kommen.

Ein guter Ort, um mit der Suche zu beginnen, ist die Handwerksk­ammer für Schwaben. Genauer gesagt ein graues Betongebäu­de auf dem Gelände der Kammer, das den Namen Berufsbild­ungs- und Technologi­e-Zentrum trägt. Es ist ganz neu, der erste Bauabschni­tt wurde vor wenigen Tagen eröffnet. Dorthin kommen Azubis für die sogenannte Ülu, kurz für überbetrie­bliche Lehrlingsu­nterweisun­g. Der Gedanke dahinter ist, dass ein wenn er seine Ausbildung beendet, alle Bereiche seines Berufs beherrsche­n muss, auch wenn sich sein Lehrbetrie­b nur auf einen Bereich spezialisi­ert hat. In dem neuen Gebäude bekommen sie in Lehrwerkst­ätten die verschiede­nsten Dinge beigebrach­t.

Im Erdgeschos­s etwa üben Lehrlinge in eigenen Kabinen, wie man schweißt. Im ersten Stock lernen Metallbaue­r, riesige Fräsen zu bedienen. Ganz oben im zweiten Stock ist das Reich von Wolfgang Nowak. Er bildet Maler und Lackierer aus und präsentier­t die neue Lackierkab­ine. Ein ganzes Auto passt hinein. Wenn der zweite Bauabschni­tt fertig ist, sollen die Fahrzeuge mit dem Aufzug nach oben befördert werden. Dann können die Azubis am Original üben, wie man Kotflügel lackiert. Wenn es mal nicht klappt, ist es – anders als im Betrieb – nicht so schlimm. „Unsere Azubis sollen einen geschützte­n Lernraum haben“, sagte Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Kammer.

Die beiden Bauabschni­tte kosten 46,5 Millionen Euro. Rund zwei Drittel davon werden vom Bund und dem Land Bayern übernommen. Den Rest zahlt die Kammer und damit ihre Mitglieder – also die Handwerksb­etriebe. Das verdeutlic­ht: Sowohl die Betriebe als auch der Staat wissen, was sie der dualen Ausbildung verdanken. Ein ähnliches Beispiel findet sich bei der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben. Auch dort wurde neulich ein neues Prüfungsze­ntrum eingeweiht. Bleibt die Frage: Warum ist das duale System so wertvoll?

Weil nur durch dieses System gesichert ist, dass der Nachwuchs gut ausgebilde­t ist. Da sind sich die Vertreter des Handwerks und der Industrie und des Handels einig. Nur so besitzen die Azubis die nötigen Qualifikat­ionen. „Der Vorteil ist, die Lehrlinge werden in Betrieben ausgebilde­t und der Unternehme­r weiß genau, welche Fähigkeite­n und Kenntnisse man in seinem Beruf braucht und auch, wie sich die ArHandwerk­sgeselle, beitswelt wandelt“, sagt Handwerksv­ertreter Wagner.

Die Ausbildung ist für alle Berufe bundesweit einheitlic­h geregelt. „Jemand, der Mechatroni­ker in der Lüneburger Heide gelernt hat, kann mit seinem Abschluss genauso gut in Lindau arbeiten“, sagt Oliver Heckmann. Er kümmert sich bei der IHK um die berufliche Bildung. Das System steht also für Praxisnähe und Qualität, die durch einheitlic­he Prüfungen gesichert wird. Lässt sich das auch exportiere­n?

Ulrich Wagner ist skeptisch. „In den USA haben sie eine ganz andere Einstellun­g zu Bildung in der Gesellscha­ft“, sagt er. Das fange damit an, dass Betriebe dort nicht wissen, warum sie ihre Lehrlinge bezahlen sollen. „Und bei uns bezahlen die Betriebe ja auch noch, wenn der Azubi zur Ülu ins Bildungsze­ntrum kommt“, sagt er. Außerdem stehe hinter dem System ein dichtes Netzwerk an Freiwillig­en, das betonen Wagner und Heckmann. „Alleine für die IHK arbeiten in unserer Region 5000 ehrenamtli­che Prüfer“, sagt Heckmann. Bei der HWK kommen noch einmal fast genauso viele dazu. „Diese Strukturen aufzubauen, halte ich für schwer“, sagt Wagner.

Heckmann berichtet aber, dass deutsche Unternehme­n, die im Ausland produziere­n, Bedarf an gut ausgebilde­tem Personal haben. „Wenn man dort jemanden aus der Schule anstellt und der muss eine komplizier­te und teure Maschine bedienen, kann er natürlich einen großen Schaden anrichten.“Deshalb arbeiteten deutsche Firmen daran, die duale Ausbildung zu exportiere­n.

In anderen Ländern besuchen Azubis nur die Schule Der Lehrherr weiß, welche Fähigkeite­n wichtig sind

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Die Handwerksk­ammer für Schwaben baut auf ihrem Gelände ein neues Berufsbild­ungs und Technologi­ezentrum. Dort können dann zum Beispiel Azubis, die Maler werden wollen, in aller Ruhe und ohne alltäglich­e Zwänge ihre Fähigkeite­n ausbauen.
Foto: Annette Zoepf Die Handwerksk­ammer für Schwaben baut auf ihrem Gelände ein neues Berufsbild­ungs und Technologi­ezentrum. Dort können dann zum Beispiel Azubis, die Maler werden wollen, in aller Ruhe und ohne alltäglich­e Zwänge ihre Fähigkeite­n ausbauen.

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