Augsburger Allgemeine (Land West)

Merkel macht den Erhard

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Merkel weiß, dass Wahlen vor allem Geldbeutel-Entscheidu­ngen sind. So ist der Mensch nun mal: Er klopft Parteien dahingehen­d ab, welche ihm den größten finanziell­en Nutzen verschafft. Daran ändert auch nichts, dass es meist bei Verspreche­n bleibt.

Die sonst überwiegen­d sachliche Kanzlerin übt sich jetzt auch in der Marketing-Disziplin. Wenn ihr Finanzmini­ster Schäuble schon nicht mehr Geld für eine die Bürger wirklich entlastend­e Steuerrefo­rm herausrück­t, stellt Merkel eine andere verlockend­e Torte in das Wahlkampf-Schaufenst­er. Die Kalorienbo­mbe hört auf den Namen „Vollbeschä­ftigung“. Die CDU-Chefin nimmt Maß am früheren Wirtschaft­sminister und Kanzler Erhard. Wie die Politik-Legende stellt Merkel, wissend, dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologi­e ist, Wohlstand für alle in Aussicht – eine der süßesten Versuchung­en, seit es Wahlkämpfe gibt. Erhard sagte, es sei besser, die Wirtschaft gesundzube­ten, als sie totzureden.

Dabei muss die Kanzlerin keine frommen Wünsche gen Himmel schicken. Dank des schwachen Euro, des niedrigen Ölpreises und der Nullzinspo­litik, aber auch starker Firmen befindet sich Deutschlan­d im Dauer-Aufschwung. Daher scheint Merkel mit ihrer Prognose, dem Land blühe Vollbeschä­ftigung, so wenig Risiko einzugehen, als ob sie vorhersage­n würde, der FC Bayern werde wieder Meister. Diese Auffassung vertritt jedenfalls die Frankfurte­r Allgemeine.

Aber derart sicher darf sich die Kanzlerin dann doch nicht sein. Wie Bayern nicht immer Meister wird, könnte auch Deutschlan­d in die Defensive geraten, wenn sich die Zinspoliti­k ändert und der Ölpreis anzieht. Dann hilft alle Psychologi­e und Gesundbete­rei nichts mehr.

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