Augsburger Allgemeine (Land West)
Merkel macht den Erhard
Merkel weiß, dass Wahlen vor allem Geldbeutel-Entscheidungen sind. So ist der Mensch nun mal: Er klopft Parteien dahingehend ab, welche ihm den größten finanziellen Nutzen verschafft. Daran ändert auch nichts, dass es meist bei Versprechen bleibt.
Die sonst überwiegend sachliche Kanzlerin übt sich jetzt auch in der Marketing-Disziplin. Wenn ihr Finanzminister Schäuble schon nicht mehr Geld für eine die Bürger wirklich entlastende Steuerreform herausrückt, stellt Merkel eine andere verlockende Torte in das Wahlkampf-Schaufenster. Die Kalorienbombe hört auf den Namen „Vollbeschäftigung“. Die CDU-Chefin nimmt Maß am früheren Wirtschaftsminister und Kanzler Erhard. Wie die Politik-Legende stellt Merkel, wissend, dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist, Wohlstand für alle in Aussicht – eine der süßesten Versuchungen, seit es Wahlkämpfe gibt. Erhard sagte, es sei besser, die Wirtschaft gesundzubeten, als sie totzureden.
Dabei muss die Kanzlerin keine frommen Wünsche gen Himmel schicken. Dank des schwachen Euro, des niedrigen Ölpreises und der Nullzinspolitik, aber auch starker Firmen befindet sich Deutschland im Dauer-Aufschwung. Daher scheint Merkel mit ihrer Prognose, dem Land blühe Vollbeschäftigung, so wenig Risiko einzugehen, als ob sie vorhersagen würde, der FC Bayern werde wieder Meister. Diese Auffassung vertritt jedenfalls die Frankfurter Allgemeine.
Aber derart sicher darf sich die Kanzlerin dann doch nicht sein. Wie Bayern nicht immer Meister wird, könnte auch Deutschland in die Defensive geraten, wenn sich die Zinspolitik ändert und der Ölpreis anzieht. Dann hilft alle Psychologie und Gesundbeterei nichts mehr.