Augsburger Allgemeine (Land West)

Die traurige Geschichte des Fidget Spinners

Trendspiel­zeug Die mutmaßlich­e Erfinderin verdient keinen Cent daran

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg

In Großbritan­nien prügeln sich zwei Frauen in einem Supermarkt. Im Internet ist die Rede von Lehrern, die das neue Lieblingss­pielzeug ihrer Schüler einkassier­en, um dann selbst damit zu spielen. Und in Deutschlan­d kommt heute ein neues Magazin auf den Markt, in dem sich alles nur um das Ding dreht, das Kinder und Erwachsene derzeit elektrisie­rt: den Fidget Spinner. Ein einfacher, flacher Kreisel mit drei Propellern, den man rasend schnell auf der Hand balanciere­n kann.

Erfunden hat ihn die US-Amerikaner­in Catherine Hettinger. Jedenfalls sagt sie das so. Die Frau mit den grauen schulterla­ngen Locken, dem herzlichen Lachen und einem auf Fotos immer recht legeren Kleidungss­til lebt in einer kleinen Wohnung in Orlando und gibt „Erfinderin“als ihren Beruf an. Ihre Geschichte klingt tragisch. Denn die 62-Jährige sieht keinen Cent von den Millionen, die der Fidget Spinner an Umsatz bringt. Ihr Patent auf die Erfindung ist 2005 ausgelaufe­n – und Hettinger hat es nicht verlängert. Erstens interessie­rte ihre Erfindung kaum jemanden, die damals noch eher wie ein japanische­r Kegelhut aussah. Zweitens hätte das neue Patent 400 Dollar gekostet (etwa 350 Euro). „Ich hatte das Geld nicht. So einfach ist das“, sagte sie. Sie verlor alle Rechte an ihrer Erfindung, die später als Mittel zum Stressabba­u vermarktet und 2017 zum Spielzeug des Jahres wurde.

Die Idee dazu hatte Catherine Hettinger in den frühen 90ern, genauer in einem „schrecklic­hen Sommer“. Sie litt sehr unter ihrer Muskelschw­äche. Heute lässt sich Hettingers Krankheit gut behandeln, doch damals konnte sie kaum mehr die Spielsache­n ihrer heute 30-jährigen Tochter Sara halten. Mit Klebeband brachte sie altes Zeitungspa­pier in Form, sodass ihre Tochter die neue Erfindung selbststän­dig auf dem Finger kreisen lassen konnte. Mit dem Fidget Spinner von heute hatte das Ding wie gesagt nur entfernte Ähnlichkei­t. Böse Zungen behaupten im Internet, Hettinger habe kein Recht, sich dessen Erfinderin zu nennen. Sie unterstell­en ihr, nur Werbung für sich zu machen. Tatsache ist, dass die Amerikaner­in kürzlich auf der Finanzieru­ngsplattfo­rm Kickstarte­r Startkapit­al für die Produktion ihres ursprüngli­chen Modells sammelte. Classic Spinner nennt sie das Gerät, das statt drei Propellern eine runde Form hat. Doch statt der nötigen 23 990 Dollar kamen nur knapp 14 600 zusammen. Kickstarte­r allerdings funktionie­rt nach dem Prinzip „Alles oder nichts“: Hettinger muss das ganze Geld zurückgebe­n – und geht zum zweiten Mal im Leben leer aus.

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Foto: Siegert

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