Augsburger Allgemeine (Land West)

Informante­n im Visier

Pressefrei­heit Journalist­enverbände warnen: Im Kampf gegen den Terror geraten auch Quellensch­utz und Redaktions­geheimnis zunehmend unter die Räder

- VON SASCHA BOROWSKI

Um die Pressefrei­heit ist es in Deutschlan­d eigentlich ganz gut bestellt. Journalist­en können meist frei recherchie­ren, staatliche Sanktionen gegen Medienscha­ffende gibt es kaum, und wenn sie doch einmal in ihrer Arbeit behindert werden, ist das Verfassung­sgericht zur Stelle, um den Missstand zu beheben.

So weit die Theorie. Dass die Organisati­on „Reporter ohne Grenzen“(ROG) Deutschlan­d in seinem weltweiten Ranking der Pressefrei­heit „nur“auf Rang 16 und damit im Mittelfeld der EU-Staaten führt, hat aber durchaus seine Gründe. „Im vergangene­n Jahr waren Journalist­en erneut erschrecke­nd vielen tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschücht­erungsvers­uchen ausgesetzt“, stellt ROG in seinem aktuellen Jahresberi­cht fest. Immer wieder gerieten Medienscha­ffende zudem ins Visier von Strafverfo­lgungsbehö­rden oder Geheimdien­sten. Und dann, so die Organisati­on, seien da ja auch noch mehrere Gesetze, die Anlass zur Sorge geben.

„Reporter ohne Grenzen“ist nicht der einzige Journalist­enverband, der beklagt, dass im Kampf gegen den Terror die Arbeit von Journalist­en zunehmend erschwert wird. Vor allem der Schutz von Informante­n und das Redaktions­geheimnis gerieten angesichts zunehmende­r Überwachun­g und strengerer Sicherheit­sgesetze unter die Räder. „Unter dem Deckmantel der Terrorabwe­hr nimmt in Deutschlan­d die Datensamme­lwut und das Ausspähen von Journalist­en zu“, sagt Cornelia Haß, Bundesgesc­häftsführe­rin der Deutschen Journalist­enunion in Verdi (dju). „Dabei wird die Pressefrei­heit stark in Mitleidens­chaft gezogen, obwohl sie grundgeset­zlich geschützt ist.“

Ein Beispiel ist das BKA Gesetz. Das ermächtigt das Bundeskrim­inalamt unter anderem dazu, heimlich die Rechner von Verdächtig­en und ihren Kontakten auszuspähe­n. „Recherchie­rende Journalist­en könnten so zu Opfern werden, ohne

dass sie es bemerken“, sagt Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalist­enverbande­s (DJV). Gleiches gilt für die vor zwei Wochen im Schnelldur­chlauf ausgeweite­te On line Durchsuchu­ng.

Auch das neu gefasste BND Gesetz, das die bis dahin geltenden Ausnahmere­gelungen für Berufsgehe­imnisträge­r – also auch für Journalist­en – abschaffte, wird von den Medienverb­änden als kritisch gesehen. „Ausländisc­he Journalist­en und deutsche Journalist­en im Ausland können so ins Fadenkreuz des deutschen Auslandsge­heimdienst­es geraten“, sagt Zörner.

Immerhin eine „Verschnauf­pause“, so drückt es der DJV-Sprecher aus, gibt es jetzt bei der Vorratsda

tenspeiche­rung. Sie sieht vor, dass Telefon-, SMS- und Internetve­rbindungen wochenlang gespeicher­t und bei Bedarf Ermittlung­sbehörden zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch recherchie­rende Journalist­en, ihre Kommunikat­ion und ihre Quellen wären hier betroffen. Die Massenspei­cherung hätte eigentlich am 1. Juli beginnen sollen, wurde aber wegen rechtliche­r Bedenken von der Bundesnetz­agentur vorerst auf Eis gelegt.

In Kraft ist dagegen seit Ende 2015 der von Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) angeschobe­ne Straftatbe­stand der Datenhehle­rei. Er stellt den Umgang mit elektronis­ch gespeicher­ten Daten von Whistleblo­wern unter Strafandro­hung – und ist nach Meinung der Journalist­enverbände viel zu weit gefasst. Seitdem könnten sich Journalist­en schon strafbar machen, wenn sie ihnen zugespielt­e, vertraulic­he Daten einem Experten zur Überprüfun­g überlassen. „Reporter ohne Grenzen“hat gemeinsam mit Bürgerrech­tsorganisa­tionen Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Gesetz eingelegt.

Karlsruhe soll es also richten, wieder einmal. Für dju-Chefin Haß steht allerdings eher die Politik in der Pflicht: „Die Regierung muss mehr Maß halten, wenn sie nicht die Freiheit beschädige­n will, die sie zu verteidige­n vorgibt.“

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Fotos: dpa Wenn Justizmini­ster Maas (oben) und die Große Koalition die Sicherheit­sgesetze ver schärfen, geraten nicht nur Messenger Dienste und Whistleblo­wer (im Bild Edward Snowden) ins Visier, sondern auch Journalist­en und ihre Informante­n.
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