Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Schlüssel zum schnellen Geld – vorübergehend
Gericht Ein Aldi-Mitarbeiter bedient sich in der Kasse und klaut so fast 4000 Euro. Doch er fliegt auf und wird verurteilt
Neusäß/Augsburg Es war der Schlüssel zum schnellen Geld – zumindest vorübergehend: Mit einem sogenannten X-Schlüssel hat sich ein Aldi-Mitarbeiter über vier Monate hinweg in der Kasse bedient. Doch dann flog er auf und bekam mächtig Ärger. Er verlor seinen Job und musste sich gestern vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten.
Der heute 22-Jährige arbeitete nach seiner Ausbildung als Einzelhandelskaufmann in Aldi-Filialen in Neusäß und Augsburg. Dafür hatte er auch einen X-Schlüssel, mit dem er Rückstellungen an der Kasse vornehmen konnte. Das ist nötig, wenn der Kunde Waren doch nicht zahlt, die aber schon in die Kasse gebucht wurden. Mit dem X-Schlüssel können Mitarbeiter solche Buchungen rückgängig machen. Normalerweise passiert das nur etwa einmal im Monat – zwischen Oktober 2015 und Februar 2016 dagegen teilweise mehrmals am Tag. So flog der Mann auf. Seine Masche: Die Kunden hatten die Waren ganz normal gekauft, der Mann stornierte die Buchung trotzdem und nahm sich das Geld aus der Kasse. 52 solche Fälle listete Staatsanwältin Alexandra Krug auf, mit Beträgen von 30 bis 142 Euro. Insgesamt: 3837,28 Euro.
Warum hatte der junge Mann, der sich sonst noch nie etwas zu Schulden hat kommen lassen, das gemacht? Er habe damals mit seiner Freundin zusammengelebt, erklärte der Angeklagte: „Sie war teuer. Die Wohnung war teuer. Da bin ich auf diese dumme Idee gekommen.“Richter Bernhard Kugler fasste das in Worte, was der heute 22-Jährige mittlerweile wohl selber weiß: „Sie wollten toll dastehen. Aber das ist natürlich kompletter Unsinn. Wenn die Frau Sie bloß wegen eines tollen Autos mag, dann sollten Sie sich Gedanken über die Beziehung machen.“Das hat sich jetzt aber sowieso erledigt: Die Freundin hat ihn verlassen. Er ist wieder bei den Eltern eingezogen, hat eine neue Arbeitsstelle und auch eine neue Freundin.
Der kräftige Kerl saß gestern wie ein Häufchen Elend im Gerichtssaal, weinte mehrmals während der Verhandlung und beteuerte wiederholt, dass es ihm leid tue. Der 22-Jährige versprach: „Ich zahle jeden Cent zurück.“Fast 2500 Euro hat er schon abgestottert – was durchaus ungewöhnlich ist, betonte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. „Oft haben Jugendliche bis zur Verhandlung noch keinen Cent bezahlt.“
Seine Reue rechneten ihm Richter und Staatsanwältin auch hoch an. Trotzdem fanden beide deutliche Worte. „Sie haben Ihren Arbeitgeber auf ganz üble Art und Weise hintergangen“, meinte Richter Kugler. Und die Staatsanwältin: „Die Summe und Häufigkeit der Taten ist schon ein starkes Stück. Das ist was ganz anderes als ein Kaugummiklau.“Sie forderte eine Jugendstrafe von eineinhalb Jahren zur Bewährung.
Doch das Schöffengericht entschied anders: Der 22-Jährige kam ganz knapp ohne Freiheitsstrafe oder Arrest davon. Er muss stattdessen 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Außerdem bekommt er für neun Monate einen Betreuer. Der Sozialarbeiter soll ihm helfen, sein Leben in den Griff zu bekommen.