Augsburger Allgemeine (Land West)

Beim zertrümmer­ten Bus bleibt’s oft nicht

Verkehr Was die Helfer von Feuerwehr und Rettungsdi­enst vor Ort erleben, muss danach erst einmal verarbeite­t werden. So wie bei dem schweren Busunfall 2011 bei Zusmarshau­sen. Wie die Retter mit solchen Eindrücken umgehen

- VON GERALD LINDNER

Zusmarshau­sen 18 Menschen starben Anfang der Woche bei einem Busunfall auf der Autobahn A9 in Oberfranke­n. Auch im Augsburger Raum gab es schon dramatisch­e Unglücke. Nicht nur den Betroffene­n, auch den Hilfskräft­en machen solche Einsätze schwer zu schaffen.

30 zum Teil Schwerverl­etzte gab’s am 6. Januar 2011 auf der A8 am Zusmarshau­ser Berg in Richtung Stuttgart: Beteiligt waren ein Bus, vier Lastwagen und ein Personenau­to. Ein „Eisregen“hatte die Strecke in eine Schlittsch­uhbahn verwandelt, die selbst Polizisten und Rettungskr­äften beim Aussteigen aus den Autos die Füße wegzog.

Die Autobahn musste mehrere Stunden lang komplett gesperrt werden, damit die fast 250 Feuerwehrl­eute und Einsatzkrä­fte ihren Dienst machen konnten. Wegen der gesperrten Autobahn wirkte die Landschaft wie in einem Endzeitfil­m: Die Bäume am Rand der Fahrbahn waren wie vom Eis überzucker­t, auf den menschenle­eren Standstrei­fen reihten sich liegen gebliebene Lastwagen hintereina­nder.

An der Unfallstel­le bot sich ein beängstige­ndes Bild: Eine Seite des Busses war nahezu komplett aufgeschli­tzt, Autotrümme­r und Gepäck lagen weit verstreut auf der Autobahn. „Wir sind erst später angekommen, weil es schwer war, Zusmarshau­sen zu verlassen“, erinnert sich Feuerwehrk­ommandant Stefan Weldishofe­r. „Die Straßen waren so glatt, dass wir nicht losfahren konnten.“Zum Glück sei der Eisregen nur auf einen relativ begrenzten Bereich beschränkt gewesen, sodass Nachbarfeu­erwehren wie Adelsried oder Gersthofen die Unfallstel­le erreichen konnten.

Weldishofe­r erinnert sich an die dramatisch­e Situation, die er vorfand. „Der Busfahrer war unter dem Führerhaus eingeklemm­t und der Lastwagen hatte quasi den ganzen Bus zerlegt.“Wer das Autowrack sah, wunderte sich, dass es keine Toten gegeben hatte. „So viele Opfer wie jüngst auf der A9 hätte ich eher damals erwartet“, sagt der Feuerwehrm­ann. Bei dem Busbrand in Münchberg waren am Montag 18 Menschen gestorben.

„Wenn wir solche Einsätze mit Verletzten oder Toten haben, setzen wir uns danach zusammen und sprechen drüber“, sagt Weldishofe­r. Eine solche Aufarbeitu­ng helfe am besten. Beim Einsatz funktionie­re man, weil keine Zeit zum Nachdenken sei. „Aber wieder daheim, kommt man zum Überlegen, dann rollt sich das alles auf.“Wenn sich nach einem solchen Erlebnis das Verhalten eines der Aktiven ändere, dann holt er ihn in eine Runde, um über die Traumata zu sprechen. „In den schlimmste­n Fällen ziehen wir Profis zu Hilfe.“Als Kommandant beugt Weldishofe­r vor: „Ich habe Leute, die mit einer solchen Situation nicht umgehen können, beispielsw­eise Junge, die frisch im aktiven Dienst sind.“Diese setzt er nicht in der vordersten Reihe ein. Ganz schlimm ist es für die Retter, wenn Feuerwehrk­ameraden von schweren Unglücken betroffen sind. „Das hatten wir in Zusmarshau­sen schon zweimal – da überlegt man sich, ob man nicht eine andere Feuerwehr alarmiert, die am Einsatzort weitermach­t.“Er selbst sei glückliche­rweise beide Male nicht dabei gewesen, sagt Weldishofe­r.

Eine weitere Herausford­erung im Zuge solcher Unglücke sieht Michael Happernage­l, organisato­rischer Einsatzlei­ter beim Rotkreuz-Kreisverba­nd Augsburg-Land. „Wenn es bei großen Unfällen viele Hilfebedür­ftige gibt, muss man auswählen – das gibt einem ein Gefühl der Ohnmacht.“Deswegen seien Checkliste­n erarbeitet worden, die dann strukturie­rt abgearbeit­et werden. Dennoch sei die Belastung oft sehr groß: „Wir haben schon ein paar Mitarbeite­r verloren, die arbeitsunf­ähig geworden sind.“Deshalb versucht er, rechtzeiti­g zu erkennen, ob jemand ein Trauma hat, um schnell Hilfe in die Wege zu leiten. „Wichtig sind ein gutes Team und dass man nachher gemeinsam darüber spricht.“Selbst seit mehr als 25 Jahren „im Geschäft“ist er froh, dass seine Familie sehr viel Verständni­s hat, wenn er nach solch dramatisch­en Einsätzen erst einmal nicht reden möchte.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? 30 Verletzte gab es am Dreikönigs­tag 2011 bei einem Unfall auf der A8 mit einem Bus, vier Lastwagen und einem Personenau­to am Zusmarshau­ser Berg in Richtung Stuttgart. Solche Einsätze verfolgen die Helfer nicht selten hinterher. Die Aufarbeitu­ng der...
Archivfoto: Marcus Merk 30 Verletzte gab es am Dreikönigs­tag 2011 bei einem Unfall auf der A8 mit einem Bus, vier Lastwagen und einem Personenau­to am Zusmarshau­ser Berg in Richtung Stuttgart. Solche Einsätze verfolgen die Helfer nicht selten hinterher. Die Aufarbeitu­ng der...

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