Augsburger Allgemeine (Land West)

Krawalle in Hamburg eskalieren

G20 Gipfel Rund 200 Verletzte, Barrikaden, Angriffe auf Beamte, brennende Autos, Straßensch­lachten: Die Polizei muss Verstärkun­g aus anderen Bundesländ­ern anfordern. Bundespräs­ident Steinmeier verurteilt die brutale Gewalt

- VON RUDI WAIS

Hamburg

Brennende Autos, stundenlan­ge Straßensch­lachten, demolierte Streifenwa­gen: Selbst ein Großaufgeb­ot von mehr als 19000 Polizisten war am Freitag zu klein, um die Ausschreit­ungen rund um den Gipfel der großen Industrieu­nd Schwellenl­änder zu unterbinde­n. Nachdem die Hamburger Polizei schon am Abend zuvor Mühe hatte, die Lage unter Kontrolle zu behalten, mussten kurzfristi­g noch einmal mehrere Hundertsch­aften Verstärkun­g aus anderen Bundesländ­ern in die Stadt verlegt werden.

Gestern Abend meldete die Einsatzlei­tung, dass 196 Polizisten bei den Ausschreit­ungen verletzt wurden. Schwerverl­etzte seien nicht darunter, obwohl Beamte mit Pflasterst­einen, Eisenstang­en und aus Zwillen abgeschoss­enen Stahlkugel­n attackiert wurden. Am Abend plünderte der Mob unter anderem einen Drogeriema­rkt im Schanzenvi­ertel.

Wegen der Krawalle konnte die Ehefrau des amerikanis­chen Präsidente­n, Melania Trump, ihre Unterkunft bis zum Nachmittag nicht verlassen und nicht am Damenprogr­amm teilnehmen. Angesichts der Ausschreit­ungen habe die Polizei „zusätzlich­e Alarmierun­gsstufen“ausgelöst, sagte Hamburgs Innensenat­or Andy Grote (SPD). Randaliere­r blockierte­n Fahrtstrec­ken der Delegation­en, griffen Polizisten an und errichtete­n Barrikaden aus Müll. Die Gipfelgegn­er warfen der Polizei vor, mit ihrem harten Durchgreif­en selbst zur Eskalation der Lage beigetrage­n zu haben.

Befürchtun­gen, der G20-Gipfel könnte in Chaos und Gewalt enden, Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz erst vor kurzem zurückgewi­esen: „Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantiere­n.“Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel und Außenminis­ter Sigmar Gabriel verurteilt­en die Krawalle scharf. „Brutale Gewalt hat auf unseren Straßen nichts verloren“, betonte Steinmeier. Gabriel sagte, er könne die Kritik an den Treffen gut verstehen, aber in demokratis­chen Ländern müsse es möglich sein, dass sich Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt treffen, um miteinande­r zu reden. Merkel dankte der Polizei für die „sehr harte Arbeit“, die sie leiste. Für den heutigen Samstag befürchten die Behörden weitere Krawalle. Zu einer bereits angemeldet­en Demonstrat­ion werden bis zu 100 000 Teilnehmer erwartet.

Zu den wichtigste­n Themen des Treffens gehören der Klimaschut­z, der freie Handel und der Kampf gegen den Terror. Auf besonderen deutschen Wunsch soll es auch um die Zukunft Afrikas gehen. Merkel sprach zum Auftakt von großen glohatte balen Herausford­erungen: „Wir wissen, dass die Zeit drängt, deshalb können Lösungen oft nur gefunden werden, wenn wir kompromiss­bereit sind.“Bei den Beratungen über das Klimaabkom­men, das die USA aufgekündi­gt haben, nahmen USPräsiden­t Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin, nicht teil, um sich zu einem privaten Gespräch zurückzuzi­ehen.

Die Erwartunge­n der Bundesbürg­er an den Gipfel sind gering. 78 Prozent sind sich nach einer Umfrage des ZDF sicher, dass das Hamburger Treffen wenig bewegen wird. Nach verschiede­nen Schätzunge­n dürfte die zweitägige Veranstalt­ung mit all ihren Sicherheit­smaßnahmen den Steuerzahl­er etwa 130 Millionen Euro kosten.

»Kommentar Bernhard Junginger über die Eskalation der Gewalt. »Leitartike­l Walter Roller über einen herausford­ernden Kontinent – Afrika. »Die Dritte Seite Reportage: Der Tag in Hamburg. »Politik Trump trifft Putin. Und eine Reportage aus Kenia: Wie Entwicklun­gspolitik wirklich Menschen hilft.

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