Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum die Rente ein Dauerbrenner bleibt
Alter Die Kasse ist gut gefüllt. Aber es gibt politische Wünsche und schon jetzt Beschlüsse, die viel Geld kosten
Berlin
Rentenniveau rauf oder nicht zu weit runter, Rentenbeitrag stabil halten oder ihn nicht zu massiv steigen lassen: Es sind aktuelle Wahlkampfthemen – und die Deutsche Rentenversicherung in Berlin kann ausufernden politischen Forderungen zumindest einen Rahmen setzen oder auf etwaige einseitige Belastungen aufmerksam machen.
Reinhold Thiede ist Ökonom bei der Rentenversicherung Bund und kennt sich damit aus, wie sich die Renten in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten wohl entwickeln werden. Vor Journalisten macht er am Freitag in Berlin eine einfach klingende Rechnung auf: Um das vielfach bemühte Rentenniveau um einen Prozentpunkt anheben zu wollen, muss der Rentenbeitrag um 0,5 Prozentpunkte steigen. Um die im Augenblick am weitesten reichende Forderung der Linken nach einem 53-Prozent-Niveau (aktuell liegt es bei etwa 48 Prozent) aufzugreifen: Dann, so Thiede, müsste der Beitrag bis zum Jahr 2045 auf 29 Prozent angehoben werden, wenn ausschließlich die Beitragszahler belastet werden sollten. „Ich muss immer auch sagen, woher ich das Geld nehme“, sagt der Ökonom.
Was aber wären die Alternativen? Noch länger arbeiten oder noch mehr Geld vom Steuerzahler. Thiede: „Die Politik muss sagen, wie sie die demografischen Lasten verteilen will.“Er rechnet nach dem Wahlkampf mit größeren Debatten im dann verjüngten Bundestag, wenn es um Fragen der Belastung durch die alternde Gesellschaft geht.
Ein Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass das Rentenniveau um 6,4 Prozent gesunken ist. Nur was sagt dieses Rentenni- überhaupt aus? Es ist das Verhältnis zwischen aktuellem Durchschnittsbruttolohn und -bruttorente. Also ausdrücklich kein Wert, mit dessen Hilfe ein Rentner ausrechnen kann, wie hoch sein Ruhegeld im Vergleich zum letzten Gehalt sein wird.
Von 2007 bis 2016 sind die Renten um 13,9 Prozent gestiegen, die Löhne allerdings um 21,1 Prozent. Daher kommt die rechnerische Sen- kung des Rentenniveaus. Trotzdem hatten die Rentner unter dem Strich einen Gewinn: Weil die Inflation in dieser Zeit bei „nur“11,9 Prozent lag, stieg ihre Kaufkraft leicht an.
Auch an anderen Zahlen lässt sich ablesen, dass es um die Rentenversicherung momentan nicht schlecht bestellt ist: Zum einen sind die finanziellen Reserven, so Thiede, seit 2005 von damals 1,7 auf mehr als 30 Milliarden angewachsen – trotz staveau bilen Beitragssatzes, spürbarer Alterung der Bevölkerung und Wirtschaftskrise. Zum anderen bekommen neue Rentner heute am Anfang im Schnitt spürbar mehr als 2010, wobei zwischen Mann und Frau, West und Ost unterschieden wird: ● Anstieg von 857 (2010) auf 1013 Euro (2016). ● von 479 auf 631 Euro. ● von 878 auf 989 Euro. ● von 683 auf 887 Euro.
Mann West
Frau West Mann Ost Frau Ost
Eine politische Maßnahme ist seit gestern unter Dach und Fach. Der Bundesrat hat die Angleichung der Renten in Ost und West beschlossen. Sie wird jetzt spätestens im Jahr 2025 vollzogen sein. Aktuell bekommen Ost-Rentner für ein Jahr Durchschnittslohn nur 29,69 Euro Rente monatlich. Das sind 95,7 Prozent dessen, was einem West-Rentner (31,03 Euro) zusteht. Dieser Prozentwert soll bis zum Juli 2024 die 100 erreichen, also den Gleichstand.
Parallel dazu wird Versicherten, die in den östlichen Bundesländern arbeiten, schrittweise ein „Privileg“