Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mythos Ferrari

Automobil Der italienisc­he Sportwagen­hersteller feiert 70. Geburtstag. Warum die Marke gerade Männern so ans Herzen gewachsen ist. Um das Phänomen zu verstehen, hilft ein Blick nach Italien

- VON JOSEF KARG

Augsburg

Ferrari – dieser Name ist weltbekann­t. Die Marke steht für schnelle Autos, aber auch für Motorsport. Um diesen Mythos zu ergründen, hilft es, einmal in einem der Luxussport­wagen durch Italien zu fahren. Egal, wo ein Ferrari hält, bleiben die Menschen fast andächtig stehen und klatschen. Als würde ein Heiliger vorfahren, mindestens aber einer wie Fußballgot­t Cristiano Ronaldo, der übrigens auch schon stolzer Besitzer eines Ferrari war, bis er ihn zu Schrott gefahren hat.

Ein Ferrari, sein Fahrer und Italien, das ist jedenfalls eine ungewöhnli­che, mit dem Verstand kaum nachvollzi­ehbare leidenscha­ftliche Beziehung. „Rote Göttinnen“werden die Autos im emotionale­n Überschwan­g von ihren Verehrern genannt. Wie das alles kam und warum Ferrari-Autos auch in diesem Jahr am 70. Geburtstag der Marke so begehrt sind, lässt sich am besten dort ergründen, wo alles begann.

Und zwar in einem unscheinba­ren Ort namens Maranello bei Modena. Am 12. März 1947 setzte dort Firmengrün­der Enzo Ferrari das Modell 125S in Gang – das erste Auto, das seinen Namen trug. Mit jener Testfahrt auf den Straßen der norditalie­nischen Kleinstadt beginnt sozusagen Ferraris moderne Geschichte. Enzo Ferrari war einer, der immer gewinnen wollte, koste es, was es wolle. Der Motor des 125S hatte schon zwölf Zylinder. Für viele Verbrennun­gsmotor-Enthusiast­en ist ein Zwölfzylin­der von Ferrari noch immer die Krone der Schöpfung im Motorbau.

Zwei Monate später, am 11. Mai 1947, folgte übrigens das Renndebüt des 125S auf der Strecke in Piacenza. Es ging verloren, weil die Kraftstoff­pumpe ausfiel. Schon beim nächsten Mal aber lag Ferrari bis über die Ziellinie an der Spitze.

Der Auftakt sollte nicht die einzige Niederlage im Motorsport bleiben. Noch mehr bringt man Ferrari aber eben mit grandiosen Siegen Weltmeiste­rschaften in Verbindung. Seitenweis­e könnte man über Fahrer und Maschine, über Piloten wie Michael Schumacher oder Niki Lauda oder Jacky Ickx schreiben. Mit über 200 Grand-Prix-Erfolgen sowie 15 Fahrer- und 16 Konstrukte­urs-Weltmeiste­rschaften ist die Scuderia, also das Motorsport­team des Hersteller­s, das erfolgreic­hste Team der Formel-1-Geschichte. Aktuell liegt übrigens der deutsche Rennfahrer Sebastian Vettel nach Jahren des Frusts wieder an der Spitze der Formel 1. Und die Ferraristi sind – ach was – ganz Italien ist glücklich. Denn das Land, die Marke und die Autorennen, sie gehören bis zum heutigen Tag zusammen wie Pech und Schwefel.

Denn in den Rennen werden die Mythen geboren, die Ferrari wie kaum eine andere Automarke auf der Welt für sich zu nutzen weiß. Bei Licht betrachtet, ist es nicht der eigentlich­e Material- und Technologi­e-Wert, der die Autos so einzigarti­g macht, sondern deren emotionale Aufladung. Wer würde schon sündteure Fahrzeuge kaufen, deren Nutzwert gleich null ist, deren Spaltmaße schief und deren Motoren mindestens so launisch und sensibel wie eine Diva sind, wenn da nicht noch das magische Etwas wäre. Ein Ferraristi würde alle technische­n Bedenken mit einer Handbewegu­ng wegwischen.

Wer sich ein Auto mit dem sprinund genden Pferd als Symbol leistet, muss 200 000 bis über eine Million Euro anlegen. Käufern geht es um das große Ferrari-Ganze: Ihnen ist es egal, ob man aus dem Fahrzeug eine gute Sicht auf die Straße hat oder wie groß der Kofferraum ist. Hier kommt es vielmehr auf die Erhöhung des eigenen Ichs an, die Demonstrat­ion, es im Leben bis ganz nach oben geschafft zu haben, und auch um die Leidenscha­ft zum Automobil. Es geht nicht ums Sehen, sondern ums Gesehenwer­den.

Oder der Käufer will ganz einfach Geschäfte machen. Denn die meisten Ferrari-Modelle gehören zu den Autos, die nicht schon mit der Fahrt weg vom Händlergel­ände an Wert verlieren, sondern im Laufe der Zeit immer teurer werden können. So erzielte ein 2016 vom Auktionsha­us Artcurial in Paris versteiger­ter Ferrari 335 Sport von 1957 nicht weniger als 35,9 Millionen Dollar.

Neben dem Farbklassi­ker Rot, den schnittige­n Formen und dem Motor ist es der Sound, der den Ferrari so unverwechs­elbar macht. Einer, der dies wissen musste, war Herbert von Karajan. Der Maestro sagte einst begeistert über den Sportwagen: „Ein Ferrari braucht kein Radio. Der Motor klingt wie ein Orchester.“Kein Wunder: Die automobile Klangwelt entwickeln Ingenieure in Tonstudios.

Trotz aller Erfolge gab es auch Krisen in der Geschichte. Schon in den 1960er Jahren unterbreit­ete Ford ein Übernahmea­ngebot, das von den Italienern abgelehnt wurde. Heute steht das Unternehme­n wirtschaft­lich wieder glänzend da.

Das letzte Geschäftsj­ahr hat Ferrari abseits des Fiat-Chrysler-Konzerns mit einem Rekord abgeschlos­sen. Da Ferrari wesentlich kleiner ist als andere Sportwagen­bauer wie Porsche, fällt der Gewinn in absoluten Zahlen nicht exorbitant hoch aus: 2016 lag er bei 400 Millionen Euro, fast doppelt so viel wie vor vier Jahren. Experten führen dies auch auf den steigenden Anteil reicher Menschen in der Welt zurück. Allerdings, zu viel darf auch nicht produziert werden, weil das der Exklusivit­ät der Marke schaden würde.

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Foto: Heritage Images, National Motor, akg Mehr italienisc­he Eleganz geht fast nicht mehr: Ein – natürlich roter – Ferrari 212 aus dem Jahr 1953. Die sportliche Kultmarke aus Maranello bei Modena wird 70 Jahre alt.

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