Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Eltern einen Vornamen finden

Entscheidu­ng Elias, Jaklin oder Anorak – die Wünsche sind vielfältig. Doch was ist erlaubt, was klingt gut? Es gibt fast keine festen Regeln. Aber an einem Grundsatz führt kein Weg vorbei

- VON SEBASTIAN MAYR

Augsburg

Selbst ausgesucht hat sich seinen Vornamen fast keiner. Die Entscheidu­ng fällen meistens die Eltern. Welche Namen am beliebtest­en sind, wird Jahr für Jahr aufs Neue veröffentl­icht. Doch ist der beliebtest­e Name auch der passende fürs eigene Kind? Zahlreiche Bücher bieten Hilfe. Ein Überblick über Regeln, Verbote und Tipps:

Welche Vorschrift­en müssen Eltern beachten?

Es gibt fast keine Vorschrift­en und nur eine einzige wirkliche Grenze: das Kindeswohl. Der Name darf ein Kind nicht herabsetze­n oder seine Selbstiden­tifikation erschweren, schreiben Rosa und Volker Kohlheim im Großen Vornamen-Lexikon (Dudenverla­g). Karl Krömer, Leiter des Augsburger Standesamt­s, warnt vor Namen, die Kinder ins Lächerlich­e ziehen könnten. „Wenn Sie Ihr Kind Ferrari nennen wollen, sehe ich ein Problem“, sagt er. Wenn Standesämt­er eine solche Gefahr sehen, raten sie den Eltern ab – oder weigern sich sogar, den Namen zu beurkunden. Die Augsburger Standesbea­mtin Jutta Jäck erinnert sich an Eltern, die ihr Kind Anorak nennen wollten, letztlich aber doch einen anderen Namen wählten. Spätestens einen Monat nach der Geburt soll der Name eingetrage­n worden sein.

Wie viele Vornamen sind erlaubt?

Auch dazu gibt es fast keine Regeln. Ein Gericht hat 13 Vornamen für unzulässig erklärt. Ausschlagg­ebend ist, ob die Behörden die Zahl der Namen beherrsche­n können. Vier oder fünf Vornamen sind laut Standesamt­sleiter Krömer in Ordnung.

Welche Vornamen sind verboten?

Gerichte haben einzelne Vornamen verboten, weil diese das Kindeswohl gefährden. Zum Beispiel Satan, Störenfrie­d, Verleihnix oder Bierstübl, wie Rosa und Volker Kohlheim schreiben. Ebenfalls nicht erlaubt: Eindeutige Mädchennam­en für Buben – und umgekehrt. „Ich kann ein Mädchen nicht Herbert nennen“, sagt Karl Krömer vom Standesamt in Augsburg.

Was ist erlaubt?

Fast alles, sagt Karl Krömer vom Standesamt. Manche Namen wie Andrea oder Luca sind für Mädchen wie Buben zulässig. Auch neu erfundene Namen sind erlaubt, diese müssen lediglich eindeutig männlich oder weiblich klingen. Notfalls muss ein zweiter Vorname Klarheit bringen. In Augsburg sind beispielsw­eise die Namen Queen Elisabeth und Kaiser zugelassen worden – Letzteres ist ein vietnamesi­scher Vorname.

Wie finden Eltern einen passenden Namen?

Cornelia Nitsch, Soziologin und Autorin mehrerer Bücher über Vornamen (GU Verlag), sagt: „Ich finde es wichtig, dass Vorname und Nachname zusammenpa­ssen.“Eltern mit einem mehrsilbig­en Nachnamen sollten eher einen kurzen Vornamen für ihr Kind wählen und umgekehrt. Bei individuel­len Namen rät die Au- torin zur Vorsicht: „Man weiß nicht, wie Kinder das empfinden.“Spätestens in der Pubertät könnten sie einen originelle­n Namen peinlich finden. Doch auch bei sehr häufigen Namen sollten sich Eltern Gedanken machen: „Im Kindergart­en sind in einer Gruppe vielleicht gleich vier Pauls“, gibt Nitsch zu bedenken. Die Autorin empfiehlt Eltern auch zu überlegen, welche Abkürzung es für den Namen geben könnte. Ein weiterer Tipp der Soziologin zielt auf die globalisie­rte Welt: Manche Namen gibt es in vielen Sprachen, zum Beispiel Vincent. Auch das könne für Eltern ein Entscheidu­ngskriteri­um sein.

Was sollten Eltern vermeiden?

Rosa und Volker Kohlheim raten zur klassische­n Schreibwei­se von Namen – auch wenn diese schwierig ist. Zum Beispiel sollte ein Mädchen nicht Jaklin, sondern Jacqueline genannt werden. Sonst könne der Eindruck entstehen, dass die Eltern die richtige Schreibwei­se nicht kennen. Namen mit Reimen (zum Beispiel Rose Klose) gelten als nicht besonders schön. Bei manchen Namen ist die Grenze zwischen Vor- und Nachnamen nur schwer zu hören (zum Beispiel Luca Adler).

Was klingt gut?

Gerade bei Mädchennam­en stehe für Eltern oft der Klang im Fokus, sagt Autorin Cornelia Nitsch, als Beispiele nennt sie bei Lola oder Sina. Volker und Rosa Kohlheim bezeichnen Namen mit Selbstlaut­en wie A und I als wohlklinge­nd.

Was liegt im Trend?

Marie bei Mädchen, Elias bei Buben. Das waren 2016 die häufigsten Namen, für die sich Eltern in Deutschlan­d entschiede­n. Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache veröffentl­icht diese Liste seit 1977. Die Autoren des Großen Vornamen-Lexikon erkennen seit einigen Jahren einen Trend zu kurzen Namen wie Tim, die als schlicht und unkomplizi­ert gelten. Autorin Cornelia Nitsch beobachtet, dass Abkürzunge­n wie Hanna oder Nele häufiger als Namen gewählt werden. Die Augsburger Standesbea­mtin Jutta Jäck beurkundet immer wieder alte deutsche Namen wie Oskar oder Elsa. „Eine Ilse würde ich gerne mal beurkunden“, sagt sie.

Woher wissen Eltern, dass ein Vorname nicht aus der Mode gerät?

Kevin, in den neunziger Jahren noch sehr beliebt, gilt heute bei vielen als verpönt. Stattdesse­n sind momentan wieder Namen beliebt, die um 1900 im Trend lagen. „Das Pendel schlägt hin und her“, sagt Cornelia Nitsch und ergänzt: „Da können Eltern nur auf ihren Instinkt vertrauen.“

Wie setzen Eltern einen Wunschvorn­amen für ihr Kind durch?

Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache in Wiesbaden kann Wunschvorn­amen prüfen und Gutachten für die Standesämt­er erstellen. Diese sind allerdings für die Eltern kostenpfli­chtig und für die Behörden nicht bindend. Doch die Standesämt­er hielten die Empfehlung­en der Gesellscha­ft zufolge meist ein.

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