Augsburger Allgemeine (Land West)

Die erste Gurlitt Lieferung ist in Bern

Nachlass Das Kunstmuseu­m der Schweizer Hauptstadt hat die Sammlung geerbt. Wie ist die Reaktion auf den Zuwachs?

-

Das Kunstmuseu­m Bern macht es richtig spannend. Zugedeckt und ungerahmt liegen die Kunstwerke der Sammlung Gurlitt am Freitag auf einem Tisch im unterirdis­chen Atelier. Dann wird der graue Edelkarton mit weißen Handschuhe­n gelüftet, zum Vorschein kommen Meisterwer­ke: eine Gouache von August Macke, ein Holzschnit­t von Ernst Ludwig Kirchner, ein Aquarell von Otto Mueller. Dazu Papierarbe­iten von Otto Dix, Emil Nolde, Franz Marc. Museumsdir­ektorin Nina Zimmer hat sie am Morgen selbst aus den Kartons gehoben und ist sichtlich entzückt.

Rückblende in die Zeit der NSDiktatur in Deutschlan­d: Die Nazis diffamiert­en die Kunst von Macke, Kirchner, Mueller und anderen als undeutsch. Sie wollten heroische Männer, blonde Mädchen sehen, nicht Expression­ismus, Neue Sachlichke­it, Surrealism­us, Kubismus. Sie erfanden dafür den monströsen Begriff „entartete Kunst“. 1938 trat ein Gesetz „über Einziehung von Erzeugniss­en entarteter Kunst“in Kraft. Es legitimier­te, was die Nazis betrieben – die Beschlagna­hmung von Werken moderner Meister. Hunderte solcher Werke aus rund 30 Museen hatten sie im Juli 1937 in München für eine Schandauss­tellung zusammenge­bracht, in der die Künstler und ihre Werke verunglimp­ft wurden. Dann wurden Kunsthändl­er wie Hildebrand Gurlitt beauftragt, die Werke ins Ausland zu verkaufen.

Hildebrand Gurlitt jedoch hat viele Werke selbst behalten, sein Sohn Cornelius hat sie geerbt. Der Fund der Sammlung in Wohnungen in München und Salzburg vor einigen Jahren war eine Sensation. Cornelius Gurlitt starb 2014, sein Erbe fiel dem Berner Museum zu – aus Gründen, die man dort selbst nicht kennt.

„Hier findet sich, was Hildebrand Gurlitt am besten kannte, er hat beste Qualität gesammelt“, sagt Direktorin Nina Zimmer zur ersten Sendung von Werken. Das Kunstmuseu­m rechnet im Laufe des Sommers mit weiteren 350 Werken, überwiegen­d Papierarbe­iten. Ab November sollen die Kunstwerke in einer Ausstellun­g mit dem Schwerpunk­t „entartete Kunst“präsentier­t werden. „In Berner Besitz kommt nur, was erwiesener­maßen keine Raubkunst ist“, betonte Zimmer. Klar ist: Die deutschen Museen, in denen die Werke einst hingen, haben dann keine Ansprüche auf Rückerstat­tung. Die Bilder seien seinerzeit verkauft worden und würden nicht zurückgefü­hrt, sagt Zimmer.

Jetzt geht erst einmal die Arbeit in Bern los. Jedes Werk muss nun unter die Lupe genommen werden. Dabei soll auch verhindert werden, dass sich Schimmelsp­oren in die Berner Sammlung einschleic­hen. Restaurato­rin Nathalie Bäschlin erklärt: „Manchmal denkt man: ein Aquarell, aber womöglich hat der Künstler das mit einer anderen Technik kombiniert. Das beeinfluss­t die Restaurier­ung.“Ansonsten geht es vor allem um die Reinigung der Werke. Gurlitt hat viele, wie früher üblich, in säurehalti­gen Mappen aufbewahrt, teils gestapelt und in Kisten, wie Bäschlin sagt. Säure verfärbe Papier. Heute arbeite man mit anderem Material.

 ?? Foto: Valeriano di Domenico, afp ?? Groß war der Medienandr­ang bei der Präsentati­on der ersten Bilder aus der Samm lung Gurlitt im Kunstmuseu­m Bern.
Foto: Valeriano di Domenico, afp Groß war der Medienandr­ang bei der Präsentati­on der ersten Bilder aus der Samm lung Gurlitt im Kunstmuseu­m Bern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany