Augsburger Allgemeine (Land West)
Netflix Serie über Suizid: Ärzte fürchten Nachahmer
Stream Experten fordern Verbot der 13 Folgen. Sie könnten labile Menschen gefährden
Augsburg
Kinderärzte, Psychologen und Medienexperten gehen derzeit gegen eine Netflix-Serie aus den USA auf die Barrikaden, die jetzt auch in Deutschland läuft. „Tote Mädchen lügen nicht“(Originaltitel „13 Reasons Why“) beschäftigt sich in 13 Folgen mit dem Schicksal einer Jugendlichen, die sich das Leben genommen hat und auf Videokassetten ihren Entschluss erklärt.
Das Problem aus Sicht zahlreicher Experten ist, dass die Serie das Thema stark vereinfacht und den Zuschauern vorgaukelt, dass einzelne Gründe wie Mobbing in der Schule oder Liebeskummer einen erklären – psychische Erkrankungen wie Depressionen finden überhaupt keinen Platz. „Außerdem werden die Konsequenzen stark positiv dargestellt, wie zum Beispiel in einer posthumen Anerkennung“, sagt Markus Schäfer, der an der Universität Mainz zur Wechselwirkung zwischen Medieninhalten und Suiziden forscht.
Sinnvoller wäre es seiner Ansicht nach, realistisch mit dem Thema umzugehen und die Komplexität darzustellen. Schäfer fragt sich, ob eine fiktive Serie dafür das richtige Format ist – vor allem wenn sie auch noch Schritt-für-Schritt-Anleitun- gen zum Suizid liefert, wie es „Tote Mädchen lügen nicht“tut. „Es gibt viel zu viele unnötige Details.“
Die Plattform Netflix zeigt sich bisher wenig beeindruckt von der Kritik und beruft sich auf eine Altersfreigabe ab 16. Es soll sogar bereits eine zweite Staffel der Serie geplant sein. Josef Kahl, Sprecher des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzte, findet das Vorgehen der Produzenten „unfair“gegenüber gefährdeten Menschen. „Die Serie ist so aufgemacht, dass sie emotional aufmischt“, sagt er. Ein gesunder Erwachsener möge die Geschichte der Protagonistin vielleicht abschreSuizid ckend finden, sagt Kahl. Doch gerade pubertierende Mädchen könnten sich dazu entschließen, die Serienheldin gewissermaßen zu kopieren. Es seien sogar erste Fälle in Deutschland bekannt, in denen Jugendliche so reagieren wollten.
Statt den Nachahmereffekt zu riskieren, wünscht sich Medienforscher Schäfer mehr positive Beispiele. Eines liefert für ihn der Sänger Michael Patrick Kelly, Ex-Sänger der Kelly Family, der offen über eine Phase spricht, in der er suizidale Gedanken hatte – und darüber, wie er aus dieser Lebenskrise herausgefunden hat.