Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die Mechanisme­n des Marktes“

Basketball Ulm zählt hierzuland­e sportlich zu den Top-Teams, finanziell aber noch nicht ganz. Das hat für den Personalbe­stand Folgen, wie der Klub in diesen Tagen erfahren muss

- VON PIT MEIER

Ulm

In dieser Hinsicht sind Basketball­er ehrlicher als ihre Kollegen in vielen anderen Mannschaft­ssportarte­n: Es wird gar nicht erst so getan, als wären die Liebe zum Verein oder die sportliche Herausford­erung bei der Wahl des Arbeitgebe­rs entscheide­nd. Es gibt ein paar Ausnahmen wie Per Günther in Ulm oder Rickey Paulding in Oldenburg, die ihren jeweiligen Klubs seit rund einem Jahrzehnt die Treue halten. Der große Rest vor allem der amerikanis­chen Basketball­profis spielt halt da, wo gerade am besten bezahlt wird. Das ist nachvollzi­ehbar in einem Beruf, in dem zumindest in Deutschlan­d längst nicht so viel Geld verdient wird wie im Fußball und in dem die Spieler nur eine begrenzte Zeit haben, um für sich und ihre Familien vorzusorge­n. Das wird auch offen kommunizie­rt von den Profis und ihren Agenten. Das ist spätestens seit der Auslosung des Eurocups in dieser Woche ohnehin offensicht­lich.

Die Ulmer sind auch in der kommenden Saison in diesem zweitwicht­igsten Wettbewerb in Europa dabei. Ebenso wie drei der Spieler aus ihrem bisherigen Kader, die den Bundesligi­sten nach der vergange- nen Saison verlassen haben, nachdem ihre Verträge ausgelaufe­n waren. Raymar Morgan ging zum bisher nur mittelmäßi­gen türkischen Verein Tofas Bursa, Braydon Hobbs zu Bayern München, Chris Babb nach Krasnodar in Russland. Keiner von ihnen wird vermutlich mit seiner neuen Mannschaft diesen Eurocup gewinnen, vielleicht werden sie sogar gegen Ulm verlieren, so wie das Krasnodar vor einem Jahr gleich zweimal passiert ist. Keiner von ihnen hat sich somit sportlich wirklich verbessert. Aber eben finanziell. Dem Vernehmen nach wird beispielsw­eise Babb in Russland zum Einkommens­millionär. Ein gewaltiger Schritt auf dem Weg zur nachhaltig­en Versorgung der Familie. Der Ulmer Manager Thomas Stoll sagt lapidar: „Jetzt setzen die Mechanisme­n des Marktes ein.“Die sind simpel: Der reiche Verein bedient sich beim armen, der noch reichere beim reichen.

Das war etwa vor fünf Jahren so, als Ratiopharm Ulm sich unter heftigem Protestges­chrei aus Niedersach­sen Daniel Theis aus Braunschwe­ig schnappte. Als Theis noch besser geworden war, verpflicht­ete ihn Bamberg und nach drei Meistersch­aften mit den Brose Baskets ist in diesem Sommer der Weg frei in die NBA zu den Boston Celtics. Keine Chance mehr für die Bamberger, die sich mit Augustine Rubit einen Nachfolger bei den weniger wohlhabend­en Ulmern besorgt haben. Die wiederum werden sich an noch ärmeren Standorten umsehen. Und wenn sie fündig geworden sind und die Spieler sich wie erhofft entwickeln, dann werden sie diese weiter ziehen lassen (müssen).

In der Basketball-Branche hat man diese Automatism­en akzeptiert. Der Bayreuther Trainer Raoul Korner soll das vor Jahren zu seiner Gießener Zeit mal so formuliert haben: „Wenn ich nach einer Saison jeden Spieler halten kann, habe entweder ich einen verdammt schlechten Job gemacht oder die Sponsoren und das Management haben einen verdammt guten Job gemacht.“

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Raymar Morgan, in der abgelaufen­en Saison „wertvollst­er Spieler“der Bundesliga, verließ Ulm in Richtung Türkei.
Foto: Horst Hörger Raymar Morgan, in der abgelaufen­en Saison „wertvollst­er Spieler“der Bundesliga, verließ Ulm in Richtung Türkei.

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