Augsburger Allgemeine (Land West)
Machen Smartphones Schüler dumm?
Schule Das Gymnasium Friedberg hat sich in einem Elternbrief für eine „smartphonefreie Zeit“ausgesprochen. Die Eltern finden das gut. Ist das der richtige Weg? Die Meinungen gehen auseinander
Dass ein Elternbrief so großes Aufsehen erregen würde, war den Beteiligten vom Gymnasium Friedberg nicht klar. Die Meldung verbreitete sich in Windeseile, auch über die Landkreisgrenzen. Doch der Reihe nach: Lehrer des Gymnasiums beobachteten über Jahre hinweg ein immer größer werdendes Konzentrationsproblem bei Schülern. So berichtete zum Beispiel ein Schüler der Unterstufe, dass er 300 Whatsapp-Nachrichten innerhalb von drei Stunden am Nachmittag bekommen habe. Weitere Schüler wurden befragt, die bestätigten, dass das Smartphone einen hohen Ablenkungsfaktor besitzt. Daraufhin gab Schulleiter Bernhard Gruber ein Empfehlungsschreiben an Eltern und Schüler heraus: „Nun ist es bekannt und wissenschaftlich belegt, dass die parallele Benutzung eines Smartphones oder vergleichbarer elektronischer Medien während und auch unmittelbar nach der Hausaufgaben- und Lernzeit die Speicherfunktion des Gehirns negativ beeinflusst.“Das Schulforum empfehle daher eine nachmittägliche smartphonefreie Zeit von drei Stunden, heißt es da.
Markus Bubmann, Vorsitzender im Elternbeirat des Friedberger Gymnasiums, hält diesen Schritt für notwendig: Schüler könnten sich kaum noch eine Schulstunde konzentrieren. Es gehe aber nicht um ein wissenschaftliches Projekt, sondern darum, Eltern Argumentationshilfen zu geben. Es habe sich gezeigt, dass der „Halbgott Smartphone“der Grund sei, warum Schüler sich ablenken lassen. „Vielleicht liegt meine Generation ja falsch und da wächst eine Generation von Cyber-Kids heran“, fügt er hinzu.
Das Schreiben stieß bei vielen Eltern auf große Zustimmung. Einige berichteten, dass es der beste Elternbrief seit langem gewesen sei, erinnert sich der Beiratsvorsitzende.
Die in diesem Jahr vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Ergebnisse der BLIKK-Studie unterstreichen diese Gefahr. Zu hoher Medienkonsum soll bei Kindern und Jugendlichen zu gesundheitlichen Folgeschäden führen. Ge- rade bei den Acht- bis 13-Jährigen rufe der hohe Gebrauch von Smartphones Konzentrationsdefizite hervor. „Ich bin kein Gegner dieser Medien“, betont Bubmann, aber wenn ein Schüler nicht mehr Kopfrechnen kann und stattdessen bei Google nachschauen muss, ist das bedenklich.“
Dr. Dominik Neumann, Mitarbeiter der Universität Augsburg im Fachbereich Bildungsmedien des Lehrstuhls Pädagogik, ist gegen einen solchen Verzicht. Gerade weil es sich um ein neues Phänomen handelt, müsse die Situation differenzierter betrachtet werden, sagt er. „Studien gibt es viele, aber noch kein gesichertes Gesamtbild.“Die BLIKK-Studie und der Richtlinienkatalog zum Umgang mit den Geräten des Bundesfamilienministeriums seien wissenschaftlich nicht fundiert. Außerdem könne man daraus keine Gesetze postulieren, so Neumann. Aktuell betreut er am Lehrstuhl ein Forschungsprojekt zum Thema Whatsapp und Hausaufgaben. Zwischen der Verwendung von Smartphones und Konzentrationsmängeln bei Schülern sehe er lediglich einen Scheinzusammenhang. „Früher sagte man, das Lesen von Romanen ist schlecht und führt in Fantasiewelten“.
Ein Problem stellt die Generationenfrage dar. Viele Eltern und Lehrer tun sich schwer mit technischen Geräten. „Es gibt viel Unmut, Angst und eine generelle Abwehrhaltung gegenüber Smartphones“so Neumann. Die Rolle des Lehrers verändere sich von der autoritären Lehrkraft hin zum sogenannten Lerncoach und Wissensbegleiter. Neumann spricht von einem sogenannten digitalen Medien-Knigge. „Es ist wichtig, Schüler auf die Zukunft vorzubereiten“, sagt er. Das müsse in der Schule, wie auch zu Hause passieren. Einen Verzicht hält er für die komfortabelste Variante und nicht zielführend. „Es fehlen didaktische Ansätze“, stellt Neumann fest. Medienerziehung stehe zwar im Lehrplan, werde aber nicht ausreichend behandelt.
Gertrud Nigg-Klee, Bezirksvorsitzende des Bayerischen Lehrerinnenund Lehrerverbands (BLLV), sieht ein Problem bei der Lehrerfortbildung. „Lehrkräfte, die gut mit digitalen Medien arbeiten können, brauchen die Fortbildungen nicht und die sie bräuchten, melden sich weniger, weil sie die Themen nicht mögen oder können.“Es gebe keine systematische Verortung des Themas digitale Medien. Personalmangel im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich verschärfe die Situation noch. Das Smartphone zu verdammen hält Nigg-Klee für den falschen Weg. „Es muss schon in der Grundschule geschehen, Schüler kompetenzorientiert zu unterrichten. Es ist auch Aufgabe der Eltern in der Erziehung.“
Ein weiteres Problem: Schulen haben nicht die passende technische Ausstattung und es gibt kaum Lehrmittel – wie digitale Schulbücher – auf dem Markt. Die Gebäude digitalgerecht zu gestalten, liegt bei den Schulen. Das Geld müssen die Kommunen bereitstellen. Doch da fehlt es vielerorts an der Finanzkraft.
Aus einer Mitteilung des Kultusministeriums geht hervor, dass alle bayerischen Schulen ab 2019 ein Medienkonzept erstellen sollen – bezogen auf den pädagogischen, organisatorischen und technischen Bereich. „Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung wird zum Beginn des kommenden Schuljahres praxisorientierte Informationsund Unterstützungsmaterialien bereitstellen“, heißt es.
Eine Schule, die einen Schritt ins Digitale unternommen hat, ist die Fachoberschule in Friedberg. Dort gibt es seit drei Jahren Tablet-Klassen. Schüler beschaffen sich ein eigenes Arbeitsgerät, die Lehrkraft erstellt digital eine Klassengruppe. In Mathematik können Graphen erstellt und visualisiert werden. Schüler recherchieren online oder erstellen Präsentationen. Unterrichtsmaterial wird digital zur Verfügung gestellt – Hausaufgaben werden auf dem Tablet gemacht.
Hermine Scroggie, stellvertretende Schulleiterin und Initiatorin der Tablet-Klasse, bevorzugt es, das iPad als produktives Arbeitsgerät anzusehen. Die Nutzung im Unterricht sei für die Schüler ganz normal. Ablenkung durch soziale Netzwerke oder Spiele im Unterricht gebe es kaum. Auf einem Bildschirm kann sie sehen, was die Schüler gerade machen. „Datensicherung und Dateistrukturen aufbauen ist eine leidiges Thema“, sagt Scroggie. Da müssen Schüler unbedingt geschult werden. Der Unterricht für Lehrkräfte ändere sich gar nicht so sehr. „Ich nutze die gleichen Folien, auch die Methoden sind dieselben.“Zu Hause, so Scroggie, stellen die Eltern die Regeln auf.