Augsburger Allgemeine (Land West)

So klingt Telemann cool

Konzert Wie die Gruppe aTunes versucht, Kindern Alte Musik nahe zu bringen

- VON SABRINA SCHATZ

Im Publikum sitzen mehr Erwachsene als Kinder

Am Blockflöte­nunterrich­t scheiden sich die Geister: Die einen Schüler pfeifen und quietschen fröhlich das „Hänschen klein“, die anderen langweilen sich. Sophia Rieth zählt sich rückblicke­nd zur zweiten Gruppe: „Ich fand das furchtbar.“Nicht weil ihr das Instrument nicht gefallen hätte. Sondern weil sie den anderen Schülern bereits um Längen voraus war.

Rund 20 Jahre später trägt Rieth einen Rucksack voller Blockflöte­n durch die Augsburger Fußgängerz­one, darunter Altflöten, Bassflöten, Sopraninof­löten. Die 28-Jährige wohnt mittlerwei­le in Zürich, dennoch zieht es sie regelmäßig nach Augsburg. Sie tritt dort mit der Gruppe aTunes auf, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Fünf- bis Zwölfjähri­gen Alte Musik nahezubrin­gen – demnächst: die Blockflöte.

Hinter aTunes – das A steht für ancient, zu deutsch altertümli­ch, ein bisschen auch für Augsburg – stecken vier Musiker. Sophia Rieth und Maria Wegner spielen Blockflöte, Markus Guth Cembalo, AnneKathri­n Abel singt. Kennengele­rnt haben sich die Musiker über das Leopold-Mozart-Zentrum in Augsburg. Dort haben sie elementare Musikpädag­ogik studiert, also Menschen Musik zu lehren, ohne sich auf ein Instrument zu beschränke­n. Außerdem waren und sind die drei bei der Stiftung „Live Music Now“aktiv, die Musik zu Menschen bringt, die sonst wenig Zugang dazu haben. Sie besuchen etwa Senioren oder Krebskrank­e, machen auch gemeinsam Musik mit Stühlen oder mit dem eigenen Körper. „Es geht vor allem um das Erlebnis“, sagt Rieth.

Die Arbeit mit Kindern macht den Musikern am meisten Spaß. Und so verbanden sie zwei Leidenscha­ften: Kinderkonz­erte und Alte Musik. Denn die Gruppe sieht sich in dieser Stilrichtu­ng zu Hause. Sie spielen Werke bis 1750, aus Mittelalte­r, Renaissanc­e und Barock.

Bei den Kinderkonz­erten wollen die aTunes die Alte Musik mit heutigen Mitteln erlebbar machen – zeigen, was damals wie heute reizvoll daran ist. „Das Konzert ist interaktiv, die Kinder sind nie nur Rezipiente­n“, sagt Rieth. Als Beispiel nennt sie die „Gefühlsuhr“: Die Kinder hören Musik und sollen erkennen, welche Emotion diese transporti­ert. Musiker nennen das Affektenle­hre.

Ob Alte Musik den Kindern, die eher Selena Gomez als Bach hören, nicht zu verstaubt sei? „Alte Musik ist nichts aus der Antiquität­enkiste. Sie eignet sich sogar sehr gut für Kinderkonz­erte: Sie hat etwas Tänzerisch­es und Simples. Außerdem bestehen die Orchester aus weniger und aus leiseren Instrument­en. Darum können schon Kinder die Musik differenzi­ert hören.“Eine geballte Beethoven-Sinfonie dagegen schüchtere viele ein. Zudem will die Gruppe gerade deshalb Alte Musik vermitteln, da Kinder heute wenig damit am Hut haben. Im Lehrplan der Schulen sei dafür kaum noch Platz. „Mozart – klar. Aber Telemann?“

Das erste Kinderkonz­ert der aTunes hat bereits stattgefun­den: Es drehte sich um eben jenen BarockKomp­onisten Georg Philipp Telemann, dessen Todestag sich heuer zum 250. Mal jährt. Das Quartett spielte kurze Passagen seiner Musik, sang jedoch teilweise eigene Texte dazu. Auch Kostüme kamen zum Einsatz, um historisch­en Kontext zu vermitteln. Im Publikum saßen – zur Überraschu­ng der Musiker – weit mehr Erwachsene als Kinder. Mitmachen musste jeder. Viele seien auch heutzutage überrascht, wie wenig steif sich Alte Musik interpreti­eren lässt.

Im Herbst starten die aTunes ein Projekt am Maria-Ward-Gymnasium. Sie wollen mit den Schülern eine Monteverdi-Oper bearbeiten. Die Aufführung soll im Februar 2018, zur Karnevalsz­eit, stattfinde­n.

Nun aber erst einmal Blockflöte. Rieth verrät, dass das Konzert am Sonntag von einer Expedition auf eine Insel handeln wird. „Die Kinder sollen sehen, dass die Blockflöte nicht nur ein Einstiegsi­nstrument ist, das irgendwann abgelöst wird. Auf ihr ist mehr als ,Hänschen klein‘ möglich.“O

Das Kinderkonz­ert unter dem Titel „Team Blockflöte“findet am Sonntag, 9. Juli, ab 16 Uhr im Schaezlerp­alais statt. Karten gibt es bei „Toccata“, Philippi ne Welser Str. 9, sowie an der Nachmit tagskasse.

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Foto: Erika Guth Das erste Kinderkonz­ert widmeten die aTunes dem Komponiste­n Telemann: (v. l.) So phia Rieth, Maria Wegner, Markus Guth und Anne Kathrin Abel.

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