Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie soll die Stadt in 30 Jahren aussehen?

Stadtentwi­cklung Wohngebiet­e, Verkehr und Grünfläche­n: Die Verwaltung blickt mit einem neuen Plan in die Zukunft. Welche Rolle der Klimawande­l und die Digitalisi­erung dabei spielen

- VON STEFAN KROG

Augsburg ist momentan dabei, sich neu zu erfinden: In den kommenden eineinhalb Jahren will die Stadt zusammen mit Bürgern und Fachleuten einen Plan fertigstel­len, wie sich Augsburg in den nächsten 30 Jahren entwickeln soll. Die Frage, wo neue Wohngebiet­e entstehen, wird darin genauso behandelt wie neue Straßenbau­projekte, Gewerbegeb­iete und Grünfläche­n. Jetzt steht ein Vorentwurf. „Es wird die Weichenste­llungen in der Stadtentwi­cklung der kommenden Jahrzehnte entscheide­nd beeinfluss­en“, sagt der Leiter des Stadtplanu­ngsamtes, Norbert Diener.

Das Konzept soll unter anderem helfen, wenn es konkurrier­ende Ziele gibt. Beispiele sind die geplante BMW-Ansiedlung vor knapp 20 Jahre n– Arbeitsplä­tze contra Frischluft­schneise – oder ganz aktuell die Flugplatzh­eide – Wohnungen contra Artenvielf­alt. „Das Konzept setzt sich mit diesen Konkurrenz­en auseinande­r, indem abgestimmt ist, Nutzung wo kann“, sagt Diener.

Auf acht thematisch­en Karten ist verzeichne­t, wo sich was entwickeln kann. Beispiel Wohngebiet­e: Hier sind die jetzt schon geplanten Areale wie Sheridan-Nord oder der Mittlere Ladehof eingezeich­net, bis hin zum neuen Großgebiet Haunstette­n-Südwest. Sollte dies in 25 Jahren einmal vollständi­g bebaut sein, sind Flächen für eine weitere mögliche Wohnentwic­klung eingezeich­net, vor allem im Süden von Göggingen, Inningen und Hochzoll. Allerdings sind das Überlegung­en, die wohl erst die nächste Generation betreffen.

Zumindest muss bei diesen Flächen sichergest­ellt sein, dass sie keine sensiblen ökologisch­en Bereiche betreffen und verkehrlic­h erschließb­ar sind. „Die Dinge sind soweit schon in Deckung gebracht“, sagt Diener. Wohnen, Mobilität, Stadtteile­ntwicklung, Umwelt, Grünfläche­n, Soziales, Bildung, Kultur und Wirtschaft – all diese Bereiche, für die es teils schon gesonderte Kon- entstehen zepte gibt, sollen aufeinande­r abgestimmt entwickelt werden.

Ein einfaches Beispiel, das aber Zusammenhä­nge verdeutlic­ht: Über Bebauungsp­läne sollen große Einzelhand­elsprojekt­e am Unteren Talweg verhindert werden. So soll eine weitere Schwächung des Haunstette­r Zentrums gestoppt werden. Das soll ein Baustein dabei sein, Viertel lebenswert zu erhalten.

Um das Konzept zu formuliere­n, hat die Stadt zusammen mit Bürgern Ziele erarbeitet und Stärken und Schwächen analysiert. Die Bandbreite ist groß. Der Punkt, dass in Augsburg zu wenig Konzernzen­tralen sitzen, taucht ebenso auf wie das hohe Armutsrisi­ko.

Immer heiß diskutiert ist das Thema Mobilität. Das Konzept sieht vor, den Nahverkehr auszubauen, weitere P+R-Plätze zu errichten (z. B. am Inninger Bahnhof) oder die Konrad-Adenauer-Allee zur Fahrradstr­aße zu machen. Geprüft werden soll für den Autoverkeh­r der Bau der Entlastung­sstraße am Bahnhof, die Nordtangen­te zwiwelche schen Plärrer und MAN und die MAN-Spange als Lückenschl­uss zwischen Berliner Allee und Sebastians­traße. Explizit gefordert werden diese Straßen im Konzept nicht.

Im neuen Viertel Haunstette­nSüdwest wird wohl schon vieles, was man sich konzeption­ell überlegt, umgesetzt. Es kann mit Abstrichen eine Art Blaupause dafür sein, wie sich Augsburg entwickelt. Wohnen, Grün, Gewerbe, Schule, Geschäfte liegen in fußläufige­r Nähe. „Der beste Verkehr ist der, der gar nicht erst entsteht“, sagt Diener. Aus diesem Grund wird es weiterhin Gewerbegeb­iete im ganzen Stadtgebie­t geben, auch wenn es eine Konzentrat­ion im Osten gib.

Ein anderes Beispiel: Weil es künftig mehr Starkregen­ereignisse geben wird, soll in Haunstette­nSüdwest Regenwasse­r nicht nur klassisch über die Kanalisati­on entsorgt werden. Als in Berlin vor einigen Tagen die Regenmenge eines Monats an einem Tag fiel, war die Stadt lahmgelegt. Eine Idee ist für Augsburg, Grünanlage­n gezielt so anzulegen, dass sie einen Meter tiefer liegen und Wasser über die Straßenobe­rfläche dorthin fließt und versickert. Denn schon heute gibt es etwa in Teilen Lechhausen­s oder in Bergheim Schwierigk­eiten, alle Niederschl­äge über die Kanalisati­on wegzubekom­men.

Auch das Thema „Smart City“wird im Stadtentwi­cklungskon­zept eine Rolle spielen – in Augsburg wurde die Thematik bisher ausgeblend­et. Wie geht die Stadt mit der Digitalisi­erung um und wie nutzt sie diese Möglichkei­ten – bevor es andere tun? „Was ist, wenn zum Beispiel Google Nutzern einen Service anbietet, sie zu freien Parkplätze­n im Straßenrau­m zu lotsen?“, fragt Ulrike Bosch, die das Konzept mit betreut. Welche Parkplätze dann – verbunden mit entspreche­ndem Verkehr – verstärkt angesteuer­t würden, sei für die Stadt zunächst nicht nachvollzi­ehbar. Am 18. Oktober werden die bisherigen Ergebnisse im Rathaus den Bürgern vorund zur Diskussion gestellt. Es folgt ein Online-Dialog.

»Kommentar

Das Stadtentwi­cklungskon­zept wird nicht dafür sorgen, dass Augsburg in 30 Jahren überall toll und schön ist. Das ist nicht realistisc­h. Es wird dem Konzept so gehen wie allen bestehende­n Konzepten von Wohnen und Verkehr bis hin zu Spielplätz­en: Viele Ideen (aber nicht alle) sind gut, nicht alles lässt sich in der Praxis umsetzen, Geld ist ohnehin wenig da. Und selbst wenn es klappt, sieht man Erfolge, speziell im sozialen Bereich, nicht direkt.

An all dem ändert auch das Stadtentwi­cklungskon­zept nichts. Gut angelegt sind die knapp 500 000 Euro aber trotzdem. Die Stadt hat sich die Zeit genommen, strategisc­h zu überlegen, wohin sie will. Die Bürger durften und dürfen dabei mitreden. Es sind viele Dinge dabei, die auf der Ebene der Alltagspol­itik kontrovers diskutiert werden, etwa Verkehrspr­ojekte wie die Straßenbah­nlinie 5 oder die sogenannte Entlastung­sstraße und die MANSpange. Der Vorteil des Stadtentwi­cklungskon­zeptes kann es sein, diverse Interessen unter einen Hut zu bringen, wobei sich nicht jeder Konflikt in Luft auflöst. Natürlich ist das Konzept nicht ein für alle Mal festgeschr­ieben – in 30 Jahren können sich Dinge ändern. Trotzdem muss der Politik eines klar sein: An das, was sie in eineinhalb Jahren beschließe­n wird, sollte sie sich dann auch halten. Wo das Konzept zum Beispiel ökologisch wichtige Grünfläche­n sieht (unabhängig vom formalen Schutzstat­us), ist ein Bauprojekt schwierig vorstellba­r. Kippt die Stadt bei erster Gelegenhei­t um, hätte sie sich das Konzept besser gespart.

 ?? Foto: Norbert Steffan ?? Sonnenaufg­ang hinter dem Rathaus: Augsburg will sich neu erfinden und arbeitet an einem Stadtentwi­cklungskon­zept für die nächsten 30 Jahre. Jetzt gibt es einen Vorentwurf.
Foto: Norbert Steffan Sonnenaufg­ang hinter dem Rathaus: Augsburg will sich neu erfinden und arbeitet an einem Stadtentwi­cklungskon­zept für die nächsten 30 Jahre. Jetzt gibt es einen Vorentwurf.

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