Augsburger Allgemeine (Land West)

Er war am Ende, dann im Kloster Einst Posterboy der Kelly Family, jetzt Fernseh-Star in „Sing meinen Song“und mit neuer Musik zurück – dazwischen aber… Michael Patrick erzählt

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DMichael Patrick Kelly:

Die Auseinande­rsetzung mit meiner Identität ist immer sehr wichtig in meinem Leben gewesen. Wer bin ich? Das ist die Frage meines Lebens.

Woran liegt das?

Einmal daran, dass ich keine Wurzeln habe. Ich war immer auf Reisen mit meiner Familie. Wir sind sehr alternativ aufgewachs­en, machten Straßenmus­ik, waren nie lange an einem Ort, lebten auf einem Hausboot und in einem Schloss. Wir waren im Grunde Aussteiger und Weltenbumm­ler, ich habe viel gesehen, aber ich kann nicht sagen „Das ist meine Heimat“. Als Künstler befasst man sich zudem sowieso viel mit seiner Identität, ein David Bowie oder ein Prince haben sich immer wieder neu erfunden. Und der dritte Aspekt ist die Ebene der Spirituali­tät. Wenn man sich auf den Weg als Mönch begibt, dann stellt man sich die tiefen Fragen. „Wo komme ich her?“„Was passiert nach dem Tod?“„Wer will ich sein?“

Kelly:

Kannst du die Frage nach deiner Identität inzwischen beantworte­n?

Ich denke schon. Ich habe mein „Ich“, meine Seele, im Glauben gefunden.

Kelly:

Du hast sechs Jahre lang als Mönch in einem Kloster in Frankreich gelebt, von 2004 bis Ende 2010. Wusstest du am Anfang, wie lange du bleiben willst? Ob du vielleicht nur einen Burnout auskuriere­n oder für immer Mönch sein möchtest?

Das wusste ich nicht. Ich wusste nur: Ich muss diesen Schritt machen. Dafür gab es viele Gründe. Ich hatte die Schnauze voll vom Showbusine­ss, vom Hamsterrad, von diesem ganzen Lifestyle. Auch die Zusammenar­beit mit Geschwiste­rn ist nicht immer einfach. Für mich war es wichtig, mich angesichts unserer großen Historie aus der kollektive­n Identität zu lösen. Aber der Hauptmagne­t war meine Sehnsucht nach Wahrheit, Liebe und dem christlich­en Verständni­s von Gott. Sonst wäre ich nicht Mönch geworden.

Kelly:

Wann fing diese Faszinatio­n an?

Mit Anfang 20. Ich merkte, dass Glückssymb­ole wie Geld, Erfolg oder volle Stadien sich für mich nicht als Versprechu­ngen erwiesen. Ich wollte ein tiefes, erfüllende­s Glück, nicht nur ein vorübergeh­endes, oberflächl­iches Glück. Dazu

Kelly:

er Titel deines neuen Albums lautet, „iD“also „Identität“. Warum? kam: Die Umstände waren nicht unkomplizi­ert. Mit 18 wurde ich musikalisc­her Leiter und Produzent der Kelly Family, also einer Band, die Rekorde von Michael Jackson und den Beatles gebrochen hatte. Intern gab es sehr viel Druck, sehr hohe Erwartunge­n. Und alle schauten immer auf mich.

Du warst auch der niedliche Posterboy der Familie. War das auch cool?

Na, ja, es war schon crazy und spannend. Wer wünscht sich das nicht, so eine „Unsere kleine Farm“-mäßige Großfamili­e, dazu die langen Haare, und dann wohnen die alle auf einem Schiff. Ich stand schon ziemlich im Fokus, aber im Gegensatz zum Beispiel zu Justin Bieber war ich umringt von sehr vielen Geschwiste­rn und unserem Vater. Das Gesamtkonz­ept „Kelly Family“hatte vor mir und auch nach mir Erfolg.

Kelly (lacht):

Warum hattest du damals eine Krise?

Ich hatte meine Midlife-Crisis mit Anfang 20! Im Nachhinein bin ich dafür dankbar, denn ich habe die Kurve bekommen. Es gibt leider viele Künstler, die an Druck, Ruhm, Alkoholund Drogenprob­lemen oder ihrer Hypersensi­bilität scheitern. Ich habe zum Glück die richtigen Schritte eingeläute­t, mir Hilfe gesucht, eine anderthalb­jährige Therapie gemacht und angefangen, mich intensiv für Religion zu interessie­ren, statt mit Exzessen zu versuchen, die Leere zu füllen.

Kelly:

Stimmt es, dass du auf ein Hochhaus gestiegen bist und runterspri­ngen wolltest?

Ja, leider war es so dramatisch. Ich liebe den Rock’n’Roll, aber es gibt eine dunkle Seite. In meinem Fall waren es nicht Drogen und Alkohol, sondern Berühmtsei­n, Druck und Verwirrung, die mich zur Verzweiflu­ng brachten. Was jetzt etwa mit Chris Cornell passiert ist (der Soundgarde­n-Sänger hat sich nach einem Konzert im Hotelzimme­r unter Medikament­eneinfluss erhängt), kann ich ein Stück weit nachfühlen. In meinem Fall ist es Gott sei Dank zum Happy End gekommen.

Kelly:

Du wirst im Dezember 40.

Kelly:

Ja, und ich freue mich auf den Geburtstag. Ich blicke auf ein sehr bewegtes, verrücktes, tolles Leben zurück und schaue mit sehr viel Freude und Hoffnung nach vorne.

Wo lebst du jetzt?

In Niederbaye­rn, auf dem Land. Seit vier, fünf Jahren schon. Ich mag das dörfliche Leben und die Natur sehr gern. Ich bin oft in Städten und viel unterwegs, die Ruhe daheim tut mir gut.

Kelly:

Du bist seit gut vier Jahren mit der belgischen Journalist­in Joelle Verreet verheirate­t. Stimmt es, dass du schon als Jugendlich­er in sie verknallt warst?

Wegen ihr schrieb ich damals mit 13 den Liebeskumm­ersong „Looking for Love“.

Kelly (lacht):

War sie der Grund, dass du deine Klosterzei­t beendet hast?

Nein, sie war nicht der Grund. Ich war in den letzten zwei Jahren im Kloster häufig krank, musste teilweise meine Studien abbrechen, und die älteren Mönche sagten mir irgendwann: „Wir glauben nicht, dass dieses Leben wirklich deine Berufung ist.“Deshalb gibt es ja auch diese sechs Jahre, bevor man das „ewige Gelübde“ablegt. Die Mitbrüder meinten also, sie könnten mich nicht zum nächsten Schritt zulassen. Sie sagten „Geh mit Gott“.

Kelly:

Waren die Gesundheit­sprobleme also psychisch, weil sich dein Körper gegen das Leben als Mönch wehrte?

Das war sicher auch psychosoma­tisch, ja. Ich merkte auch, dass mir die Musik fehlte. Schließlic­h war ich beim Arzt, der mir ein Rezept über „zwei Stunden Musik am Tag“schrieb. Das hat meiner Moral geholfen. Seit ich wieder zurück bin, sprudelt meine Kreativitä­t.

Kelly:

Ich hatte vorher eine Überdosis weiblicher Aufmerksam­keit, ich war einfach auf einer anderen Suche. Als Mönch bist du spirituell einfach anders gepolt. Trotzdem muss man im Kloster auch eine gewisse Hygiene halten. Einmal in der Woche Fußballspi­elen hat gutgetan! (lacht)

Deine Geschwiste­r sind nach Jahren wieder als Kelly Family unterwegs. Warum bist du nicht dabei?

Ich liebe meine Geschwiste­r, ich wünsche ihnen nur Gutes und wenn das Timing besser gewesen wäre, hätte ich es vielleicht einrichten können. Aber mein Album, die Tour, „Sing meinen Song“und Kelly Family – das wäre eine Baustelle zu viel gewesen. Irgendwie finde ich auch, wenn schon Comeback, dann auch bitte mit allen.

Interview: Steffen Rüth

Kelly:

Man stellt sich auch das Zölibat nicht leicht vor. Fehlt im Kloster das weibliche Element?

Kelly (lacht):

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Fotos: Getty, EMI Seine Karriere Michael Patrick Kelly, genannt „Paddy“(dagegen hat er auch heute noch nichts) wurde als zehntes Kind des US amerikanis­chen Lehrers Daniel Jerome Kelly und als sechstes Kind der US amerikanis­chen Tänzerin Barbara Ann in einem Wohnwagen in...

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