Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Kampf für und um die Kartoffel
Fußballkrieg – was für ein merkwürdiges Wort. Aber tatsächlich gab es einen solchen ja, Mitte Juli des Jahres 1969, zwischen Honduras und El Salvador. Der Konflikt eskalierte nämlich am Rande eines Qualifikationsspiels für die Fußball-WM zwischen den beiden Ländern. Am war bereits ein ähnliches und ähnlich merkwürdiges Wort in die Welt getreten: der Kartoffelkrieg. Er brach in allen Teilen der Niederlanden aus, besonders aber in den Hafenbezirken der Hauptstadt Amsterdam. Wobei in diesem Fall freilich nicht der äußere Anlass, sondern der innere Grund des Krieges den Namen.
Die Kartoffel ist das wichtigste Nahrungsmittel, auch in Deutschland – und ist wegen der Ernteausfälle inzwischen auch streng rationiert. Immer wieder erscheinen in den Zeitungen Meldungen, dass der „Tageskopfsatz“von einem halben Pfund gekürzt werden müsse, weil die Lieferungen geringer ausgefallen seien. Darum weisen am die Polizeibehörden in Anbetracht der anstehenden Kartoffelernte „noch einmal eindringlich“darauf hin, dass es Landwirten verboten sei, Kartoffeln an private Abnehmer zu verkaufen. Sie dürfen lediglich eine höhere „Tageskopfration“von einem Pfund pro Familienmitglied behalten. Und ebenfalls am ruft die Reichsregierung „alle Familien, die ein Dienstmädchen vom Lande beschäftigt haben“auf, diese für den Ernteeinsatz nach Hause zu schicken … Alles Mögliche für die Kartoffel, Kartoffeln für möglichst alle.
Ähnlich in den Niederlanden. Und dann das: Es wird bekannt, dass das Land Kartoffeln nach Großbritannien liefert, und dazu kommt das Gerücht, die ja selbst vom Hunger bedrohten Niederlande seien gezwungen worden, die gesamte neue Ernte zur Verfügung zu stellen. Da brechen die Krawalle los. Bürger brechen im Hafen Amsterdams Waggons mit für den Export bestimmten Kartoffeln auf und bewerfen damit die Polizei. Daraus werden landesweite, blutige Zusammenstöße. Die letztlich das Militär mit aller Macht und Gewalt niederschlägt… Das merkwürdige Wort Kartoffelkrieg ist hier also sehr ernst.
Eher spöttisch ist es sogar schon 140 Jahre früher aufgetaucht – als preußische Bezeichnung des Bayerischen Erbfolgekriegs, weil Versorgung und Wetter damals so schlecht waren, dass sich die Soldaten nahezu ausschließlich von Kartoffeln ernähren mussten.