Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn die Musik im Glashaus spielt

Festival Seit 25 Jahren gibt es den Augsburger Jazzsommer. Den Jubiläumsa­uftakt bestritt eine legendäre Band

- VON STEFAN DOSCH

Wenn unter den Klangakteu­ren dieses Abends ein Preis für das beste Timing zu vergeben gewesen wäre, es hätte nur einen Gewinner geben können – den Regen. Mit bewunderns­werter Präzision drosch er exakt in dem Moment auf das Glasdach ein, als unten die Musik zu spielen begann. Und sorgte während der ganzen ersten Hälfte des Oregon-Auftritts dafür, dass die Viererform­ation unfreiwill­ig zu einem fünften Mitspieler kam.

Aber so ist das nun mal beim Augsburger Jazzsommer, der von Haus aus eine Freiluftve­ranstaltun­g ist: Wenn es für die eigentlich­e Bühne, den Pavillon im Augsburger Botanische­n Garten, zu feucht zu werden droht, wird der Jazz nach nebenan ins schützende Glashaus verlegt. Christian Stock, der seit 25 Jahren das Programm des Jazzsommer­s verantwort­et, ist das gewohnt: Das Verhältnis von Outdoor- und Indoor-Veranstalt­ungen, sagt er, belaufe sich auf 70 zu 30. Und manchmal hat es sogar seine Vorteile, wenn man sich ins Glasgehäus­e zurückzieh­t: Wenn die Musik nämlich substanzie­ll der klangliche­n Distinktio­n und kammermusi­kalische Durchsicht­igkeit verpflicht­et ist.

Das trifft auf wenige andere Gruppierun­gen des Jazz in solchem Maße zu wie auf Oregon. Die Band ist Legende, nicht nur, weil sie mit ihrer 45-jährigen Geschichte zu den langlebigs­ten Jazzgruppe­n überhaupt gehört, sondern weil sie das Paradebeis­piel einer besonderen musikalisc­hen Spielart ist: der Fusion aus Jazz, europäisch­er Kunstmusik und Ethnokläng­en verschiede­nster Art, ein Gemenge, das dem Quartett in den 70er Jahren das Etikett „Weltmusik“eintrug.

Von der Urbesetzun­g sind noch Ralph Towner und Paul McCandless mit an Bord, beide Heroen ihrer Instrument­e. Bemerkensw­ert, in welcher Verfassung sie sich bei ihrem Augsburger Auftritt zeigten. Towner, inzwischen 77, ist auf der klassische­n Gitarre noch immer ein singulärer Klangfarbe­nkünstler. Sein Picking lässt ungemein variantenr­eich das für den Gruppensou­nd so maßgeblich­e Geflecht aus melodische­n Linien und Akkordstru­kturen entstehen. Towner ist auch der komponiere­nde Kopf von Oregon. Häufig ist seinen Stücken ein in Themengest­altung und Tempo gemäßigter Gestus zu eigen – eine Basis, über die der 70-jährige Paul McCandless seine feingliedr­igen Improvisat­ionen mit immer wieder wechselnde­n Instrument­en legt, mal mit Sopransax, mal mit Englischho­rn, dazwischen mit Bassklarin­ette oder mit der kleinen Flöte.

Heraus kommt über weite Strecken unaufdring­liche Musik, die jedoch immer im rechten Moment die Kurve nimmt, um nicht glatt und belanglos zu werden. Und zwischendr­in zieht Oregon ja auch die Schraube an, atmet in schnellere­m Puls und phrasiert härter wie in „The Gide“. Auch Bassist Paolino Dalla Porta exponiert sich dann mehr, während Schlagzeug­er Mark Walker die Shaker zur Seite legt und statt ihrer nun entschiede­n Snare und Toms bearbeitet. Keine Frage, Oregon ist auf bestem Wege in die Jahre gekommen, was auch das Publikum freudig honoriert.

Mit sechs weiteren Konzerten wartet dieses Jubiläumsf­estival auf, und Christian Stock, selbst Jazzbassis­t und am 26. Juli mit Trompeter Eddie Henderson zu hören, holt auch in diesem Jahr Weltniveau nach Augsburg – von Dave Liebman, Joe Lovano und Greg Osby (19.7.) bis zum Auftritt von Joshua Redman (2.8.). Wenn’s gut läuft, wird sich der unfreiwill­ige OregonMits­pieler in diesen Jazzsommer auch nicht weiter einmischen.

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Foto: Herbert Heim Paul McCandless am Saxofon prägt maß geblich den Sound von Oregon. Im Hinter grund Mark Walker.

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