Augsburger Allgemeine (Land West)

Erdogans Türkei verabschie­det sich vom Westen

- VON MICHAEL POHL pom@augsburger allgemeine.de

Ein Jahr nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch in der Türkei sind die vielen Befürchtun­gen noch übertroffe­n worden. Zwar hat Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan seine schlimmste Ankündigun­g noch nicht wahr gemacht, die Todesstraf­e wieder einzuführe­n, mit der er seinen Gegnern unverhohle­n droht. Doch so lange dürfen die Bundesregi­erung und die EU-Verantwort­lichen keinesfall­s warten, bis sie endlich einen harten, unmissvers­tändlichen Ton gegenüber Erdogan anschlagen. Im Gegenteil. Die Schwelle ist längst überschrit­ten, über härtere Maßnahmen nachzudenk­en.

Mit seinen Massenverh­aftungen, der faktischen Abschaffun­g der Pressefrei­heit und der Verfolgung der Opposition hat sich Erdogan längst von der westlichen Wertegemei­nschaft verabschie­det. Hatten die EU-Beitrittsv­erhandlung­en früher einmal tatsächlic­h zu Fortschrit­ten in der Rechtsstaa­tlichkeit der Türkei beigetrage­n, sind sie angesichts der heutigen Lage eine Farce. Doch ein Abbruch der Verhandlun­gen wird nicht reichen.

Echter Druck auf Erdogan kann nur mit wirtschaft­lichen Sanktionen aufgebaut werden, auch wenn dies auf EU-Handelssei­te zu spürbaren Einschnitt­en führt.

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