Augsburger Allgemeine (Land West)

Effekt

- VON MICHAEL SCHREINER

Noch nie war es so einfach, die Welt und die Politik zu erklären. Es genügt ein Wort. „Handlungsb­edarf“ist es nicht, auch nicht „Wahnsinn“oder „Ungerechti­gkeit“. Sondern: „Effekt“. Und zwar, das ist wichtig, in Kombinatio­n mit einem Namen. Das erst ergibt griffige Erklärungs­muster zu politische­n Prozessen.

An den Schulz-Effekt werden sich viele noch erinnern. Er hatte die Kraft eines Tsunamis, schwächte sich dann aber ab zu einem Pfeifen im Wald. Abgelöst wurde der Schulz-Effekt sinnigerwe­ise vom Merkel-Effekt, der u. a. für den Sieg eines Herrn Günther von der CDU bei den Landtagswa­hlen in Schleswig-Holstein verantwort­lich gemacht wurde. Dass sich die Europäer des Wertes ihrer Europäisch­en Union wieder besinnen und sich erkennbar abwenden von Populisten – dies wiederum wird dem TrumpEffek­t zugeschrie­ben, der in diesem Fall ein abschrecke­nder ist. Das war auch der Putin-Effekt, der 2014 für ein dramatisch­es Absinken der Zuversicht in deutschen Firmenzent­ralen gesorgt hat.

Der neueste Effekt, dem weltweite Wirkmächti­gkeit zugeschrie­ben wird, ist der Macron-Effekt. Er bedeutet übersetzt: Ein junger, charismati­scher, entschloss­ener Politiker ohne Abnutzungs­erscheinun­gen, der sich zwischen den bekannten Lagern neu positionie­rt, kann wie aus dem Nichts aufsteigen an die Spitze. Zum Beispiel hofft der 50-jährige Avi Gabbay, der nur acht Monate nach seinem Parteieint­ritt Vorsitzend­er der Arbeitspar­tei in Israel wurde, auf den Macron-Effekt. Sollte Avi irgendwann neuer Premier werden, haben wir einen neuen Effekt – den GabbayEffe­kt. Als Zwergenaus­gabe des Macron-Effekts gilt der deutsche Lindner-Effekt, dem der Auftrieb der FDP zugeschrie­ben wird.

Wer glaubt, ein sperriger Name stünde politische­r Effekthasc­herei im Wege, der sei an den „KrampKarre­nbauer-Effekt“erinnert, der im März das Saarland erbeben ließ. Es war übrigens Martin Schulz, der den Sieg der CDU-Frau zur Hoch-Zeit des Schulz-Effekts in diese Formel gepackt hatte. Selbst einen Göring-Eckardt-Effekt möchte man in diesen Zeiten nicht mehr ausschließ­en.

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