Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Reichstag will Frieden – die Regierung nicht

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Es ist etwas ins Rutschen geraten. Die SPD ist an der Kriegsfrag­e zerbrochen. Im April 1917 haben sich die auf Betreiben des zweiten Parteivors­itzenden Friedrich Ebert aus der SPD ausgeschlo­ssenen, unbeugsame­n Kriegsgegn­er als Unabhängig­e Sozialdemo­kratische Partei Deutschlan­ds (USPD) neu gesammelt. Der größere Rest der SPD nennt sich seitdem Mehrheitss­ozialdemok­ratische Partei Deutschlan­ds (MSPD) – und rückt nach links: Verständig­ungsfriede und innenpolit­ische Reformen sind ihre Kernforder­ungen. Das Scheitern des U-Boot-Krieges, die angespannt­e Lage an allen Fronten sowie die Probleme bei der Versorgung der Bevölkerun­g – die Stimmung gegen den Krieg wächst in der Bevölkerun­g. Wenn nun auch noch die MSPD der weiteren Finanzieru­ng des Krieges die Zustimmung verweigert, dann …

Der politische Instinkt des in Münsingen geborenen Zentrums-Abgeordnet­en Matthias Erzberger spürt die Veränderun­gen. Einst ein strammer Befürworte­r von Annexionen, hält Erzberger, Finanzexpe­rte und Leiter der deutschen Auslandspr­opaganda, am 6. Juli 1917 eine Rede, die internatio­nal Beachtung findet: Nur ein sofortiges, bedingungs­loses Friedensan­gebot ohne Annexionen könne das Reich retten. Ein Paukenschl­ag – der hohe Wellen schlägt.

Sogar Reichskanz­ler Theobald von Bethmann Hollweg muss in der Folge zurücktret­en. Und im Reichstag erarbeiten Zentrum, MSPD und Fortschrit­tliche Volksparte­i tatsächlic­h eine Friedensre­solution, die am mehrheitli­ch angenommen wird. Darin heißt es: „Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständig­ung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserw­erbungen und politische, wirtschaft­liche oder finanziell­e Vergewalti­gungen unvereinba­r.“

Der Krieg geht dennoch weiter. Erst am 11. November 1918 wird Erzberger das Waffenstil­lstandsabk­ommen in Compiègne unterzeich­nen. Matthias Zimmermann

19. Juli

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Matthias Erzberger
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